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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
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ist.«
    Thomas wandte sich an
Daniel.
    »Siehst du, was in der
fünften Klasse klappt, kann auch im Erwachsenenleben nicht schlecht sein.«
    Daniel zuckte die Schultern.
    Er sah Thomas an, seine
Stimme zitterte und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Hallo mein
Freund, es tut gut, dich zu sehen. Ich habe mir echt Sorgen um dich gemacht.
Wie geht es dir?«
    Thomas schluckte. Auch das
bereitete ihm Schmerzen, seinem Gesichtsausdruck zu folgen.
    »Mir geht es prima.
Wirklich, mir scheint die Sonne aus dem Hintern. Wenn ich gewusst hätte, wie
toll das hier ist, wäre ich schon viel früher gegen einen Baum gefahren!« Dann
wurde er ernst. »Es tut auch gut, dich zu sehen.«
    Daniel zog eine Tüte mit
Erdnüssen in pikantem Teigmantel aus seiner Jackentasche.
    »Hier Alter, ich weiß, dass
du die tonnenweise wegmachst.«
    Thomas versuchte sich an
einem Lächeln. Es sah zum Fürchten aus.
    »Danke dir. Den Zeitungen
zufolge bist du ein richtiger Held.«
    Daniel zog sich einen Stuhl
ans Bett und setzte sich. Karla tat es ihm nach.
    »Glaub nicht alles, was in
den Zeitungen steht.«
    »Dann müsst ihr mir alles
erzählen, was passiert ist.«
    Daniel zog die Stirn in
Falten.
    »Bist du sicher? Das kann
ziemlich lange dauern.«
    Thomas hob den Kopf, was ihn
sichtlich Kraft kostete, und blickte sich um.
    »Sieht es aus, als hätte ich
heute noch was vor? Tanzen gehen oder so? Ich will alles hören. Nichts
auslassen.«
    Also begann Daniel, zu
erzählen. Er setzte dort an, wo Thomas ihn verlassen hatte und versuchte, sich
an die Chronologie der Ereignisse zu halten. Wenn er etwas Wichtiges vergaß
oder Karla der Meinung war, er würde zu lange auf Unwichtigem herumreiten, griff
sie ein und berichtete aus ihrer Sicht. Zwischendurch kamen verschiedene
Schwestern, um sich nach Thomas‘ Wohlbefinden zu erkundigen. Natürlich waren
die Ereignisse in der Henz-Villa mittlerweile eine Riesenstory im Hintertaunus,
und so waren Daniel und Karla regionale Berühmtheiten geworden. So wurden auch
sie von den Schwestern mit Essen und Trinken versorgt, verbunden mit den
unerlässlichen Ratschlägen, Thomas nicht zu überfordern. Der wiederum flirtete
mit jeder Krankenschwester, die ins Zimmer kam, egal ob Lehrling oder kurz vor
Rentenbeginn. Und die Schwestern lachten mit ihm, gingen auf seine Scherze und
Neckereien ein. Und die eine blonde Krankenschwester schien sich noch ein wenig
mehr um ihn zu bemühen als ihre Kolleginnen, die auch schon mehr taten, als man
es kannte. Vielleicht bahnte sich da ja etwas an.
    So war Daniels bester Freund
eben. Aus jeder Situation machte er das Beste.
    So vergingen die Stunden.
Thomas war nie ein guter Zuhörer gewesen, doch jetzt unterbrach er nur, wenn er
etwas nicht verstanden hatte, schüttelte den Kopf, stöhnte und seufzte. Er litt
richtiggehend mit.
    Als sie ihre Geschichte
beendet hatten, herrschte fünf Minuten Stille, die nur durch das Piepen der
Geräte unterbrochen wurde.
    »Also ehrlich«, sagte Thomas
nach einer Weile, »normalerweise findest du im Dunklen deinen Arsch nicht, aber
da bist du echt über dich hinausgewachsen, Daniel.« Thomas‘ Augen waren feucht.
»Ich bin froh, dass ihr das so hinbekommen habt.«
    Karla legte ihre Hand auf
Thomas‘ freien Arm und drückte ihn.
    »Wir sind auch froh, dass es
dir wieder besser geht.«
    Thomas schüttelte den Kopf.
    »Eines verstehe ich aber
immer noch nicht. In den Zeitungen stand nichts von einer Beute, und auch ihr
habt mit keinem Wort erwähnt, was Marco, Yvonne und - wie hieß er noch gleich?
- Keiler aus dem Schließfach gestohlen haben.«
    Daniel und Karla tauschten
einen Blick.
    »Ich habe schon gedacht du
fragst nie.«
    Daniel griff in den
Rucksack, den er von zu Hause mitgenommen hatte. Er zog den Reißverschluss auf
und brachte einen Behälter in der Größe einer Zigarrenkiste zum Vorschein. Er
stellte ihn Thomas auf die Brust.
    »Kannst du ihn selbst
aufmachen?«
    Unter sichtbarer
Kraftanstrengung bewegte Thomas seinen nicht eingegipsten Arm und öffnete den
Deckel der Kiste.
    Seine Augen weiteten sich,
sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.
    »Das ... das ist doch nicht
...«
    »Doch«, unterbrachen Daniel
und Karla gleichzeitig. »Genau das ist es.«
    Wenn das Leben ein Film
wäre, vielleicht eine dieser Buddy-Komödien, bei denen zwei Freunde so allerlei
Abenteuer erlebten, dann hätte Thomas jetzt einen schlagfertigen Spruch auf den
Lippen gehabt. Doch das Leben war nun mal kein Film, und so lächelte er
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