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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
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zu
denken. Vielleicht sollte er mal ein Bild von sich malen und hoffen, dass es
für ihn alterte.
    Auf dem Bürgersteig, etwa
fünfzig Meter vor dem Geländewagen, lief eine junge Frau. Daniel sah sie nur
von hinten, doch das, was er erkennen konnte, war durchaus ansprechend. Lange
braune Haare, die über ein gelbes, ärmelloses Oberteil fielen und bei jedem
Schritt wippten. Sie trug eine weiße Dreiviertelhose, aus der gebräunte Beine
ragten und in ebenfalls weißen Turnschuhen endeten. Daniel schätzte sie auf
Anfang zwanzig, aber auf die Entfernung und bei Betrachtung lediglich ihrer
Rückseite war das schwer zu sagen. Sie konnte ebenso gut sechzehn wie eine gut
erhaltene Mittdreißigerin sein.
    Ein Auto überholte den
Geländewagen, Sekunden später die Frau.
    »Du meinst, er spielt an
sich herum, während er Frauen auf der Straße beobachtet?«
    »Pass auf, was gleich
passiert.« Thomas nahm einen Schluck Bier und deutete mit der Flaschenöffnung
in Richtung des parkenden Autos. Das Glas hatte er natürlich wie üblich
ignoriert.
    Daniel wollte fragen, wie er
das meinte, als der Geländewagen den Bürgersteig verließ, in gemäßigtem Tempo
die Straße entlangfuhr und wenige Meter hinter der Frau am Straßenrand
einscherte.
    »Er verfolgt sie«, flüsterte
Daniel.
    »Richtig. So lange, bis er
fertig ist, würde ich meinen.« Er schüttelte den Kopf. »Was für eine arme
Wurst.«
    Daniel hörte nur halb hin.
Er wechselte das Bierglas von einer Hand in die andere und wischte das
Kondenswasser an seinem Hemd ab.
    »Sie bemerkt ihn nicht«,
sagte er. »Sie weiß nicht, dass sie verfolgt wird.«
    »Vielleicht hört sie Musik.
Bestimmt Techno. So wie sie aussieht, hört sie House, jede Wette.«
    Daniel verzog das Gesicht.
    »Hast du nicht was von
Musikhören erzählt? Was hat Techno damit zu tun?«
    Thomas knuffte ihn am Oberarm.
Er besaß die wahrscheinlich größte Technosammlung in ganz Hessen. Er war wie
besessen von elektronischer Musik. Daniel dagegen bevorzugte Handgemachtes.
    »Du hast keine Ahnung, aber
das sei dir verziehen. Vielleicht wirst du es irgendwann verstehen.«
    Daniel rieb sich
gedankenverloren die Stelle, die sein Freund geboxt hatte.
    »Mir ist nicht wohl dabei«,
sagte er und nickte mit dem Kopf in Richtung Frau und Geländewagen, darauf
achtend, sich nicht auf eine Diskussion über Musik einzulassen. Die endete
nämlich regelmäßig darin, dass Thomas in einen seiner Monologe über die
Entwicklung der elektronischen Musik von den Anfängen bis heute verfiel. Und
wenn er dann richtig in Fahrt kam, warf er sogar noch einen Blick in die
Zukunft und stellte Thesen auf, wie die Evolution dieser Musikrichtung
voranschreiten würde.
    »Wie meinst du das?«
    »Naja, wer weiß, was das für
ein Typ ist? Vielleicht ist die Frau in Gefahr?«
    Thomas schüttelte den Kopf
und bereitete einer bierdurstigen Wespe einen vorzeitigen Tod durch Morgenpost.
    »Ich gebe dir ja recht. Sie
sollte wirklich nicht bei einsetzender Dunkelheit allein außerhalb der Stadt in
Richtung Freibad unterwegs sein. Aber ich glaube nicht, dass ihr von dem Typen
im Geländewagen Gefahr droht. Der wird, wenn er fertig ist, wieder nach Hause
in sein trauriges Leben fahren und sich den Fernseher anmachen. Das jetzt wird
der Höhepunkt seines Tages sein.« Er grinste anzüglich. »Im wahrsten Sinne des
Wortes.«
    Daniel war nicht überzeugt.
    »Und wenn nicht? Was ist,
wenn ihm das nicht reicht? Wenn er sie vergewaltigt, oder was weiß ich was
sonst?«
    Thomas schnalzte mit der
Zunge.
    »Unwahrscheinlich«, sagte
er. »Sehr unwahrscheinlich. Nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Der Kerl schüttelt sich
einen in der Öffentlichkeit!«, fuhr Daniel auf. »Vielleicht fährt er wirklich
nach Hause, sobald er fertig ist. Aber was, wenn nicht? Wir sollten hinter ihm
herfahren, Thomas, zumindest so lange, bis er sie in Ruhe lässt. Und dann
fragen wir sie, ob wir sie irgendwohin fahren können, und wenn es nur die paar
Meter ins Freibad sind.«
    Thomas lachte und schüttelte
die mit roten und gelben Flecken beschmierte Zeitung in Daniels Richtung.
    »Natürlich ganz selbstlos.
Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Dame einen fantastischen
Hintern hat, oder? Du sorgst dich nur um sie, stimmt‘s?«
    »Und wenn schon. Wir sollten
einfach nur sichergehen, dass ihr nichts zustößt. Wir können nicht dasitzen und
Fußball gucken und so tun, als hätten wir nichts gesehen.«
    Thomas seufzte.
    »Mensch Daniel. Die
Vorberichterstattung
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