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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
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keine Zeit für so einen
Kleinkram wie diesen notgeilen Bock. Aber dafür sind wir ja jetzt da. Wir
beschützen die Frauen vor wilden Wichsern!«
    »Na, wenn das keine
erstrebenswerte Tätigkeit ist. Das sollte ein Lehrberuf werden.«
    Thomas blickte auf die im
Armaturenbrett eingelassene Uhr.
    »So langsam könnte der Kerl
mal hinmachen. Bald ist Anpfiff.«
    »Warum gehst du nicht hin, klopfst
an die Fahrerscheibe, zeigst auf deine Uhr und schlägst ihm vor, einen Zahn
zuzulegen, weil Fußball gleich anfängt?«
    »Du hattest schon bessere
Ideen.« Eine Erdnuss segelte in perfekter Flugbahn in Thomas‘ weit geöffneten
Schlund. »Obwohl, vielleicht mache ich das tatsächlich. Das dauert ja ewig!«
    Daniel sah nach der Frau.
Sie hatte sich nicht einmal umgedreht auf ihrem mutmaßlichen Weg ins Freibad.
Thomas hatte recht, ihr Gang hatte wirklich etwas Beschwingtes, Leichtes. Sie
schien völlig versunken und mit sich und der Welt im Reinen. Daniel hätte sie
zu gerne mal von vorne gesehen, denn ihre Rückansicht wurde immer besser, je
länger er ihr zusah.
    Ein Auto überholte erst sie,
dann den Geländewagen und schließlich die Frau. Dafür, dass im Freibad die Luzie
abgehen sollte, war erstaunlich wenig los auf der Straße.
    »Die ist zu jung für dich«,
unterbrach Thomas die Grübeleien seines Freundes. »Die ist höchstens zwanzig.«
    Daniel fühlte sich ertappt.
Das hatte Thomas wirklich raus. Er schien wirklich einen siebten Sinn dafür zu
haben, was sein Freund dachte. Er hasste es, wenn er so erwischt wurde.
    »Woher willst du das
wissen?« Abstreiten half sowieso nicht.
    Thomas zuckte die Schultern
und setzte einen wissenden Blick auf, der weltmännisch und lebensklug wirken
sollte. Solange Daniel ihn kannte, setzte Thomas diesen Blick ebenso hartnäckig
wie erfolglos beim weiblichen Geschlecht ein. Daniel sagte es ihm nicht, aber
anstatt erfahren sah er irgendwie leicht behämmert aus, wenn auch auf
liebenswürdige Weise.
    »Ich habe ein Gespür für so
was. Ich sag‘s dir, die ist höchstens zwanzig, wahrscheinlich erst achtzehn. Zu
jung für dich.«
    »Das kannst du aus der
Entfernung unmöglich erkennen. Und außerdem bin ich gerade mal neunundzwanzig.
Wir wären also nur etwa zehn Jahre auseinander. Das ist doch heute nichts
Besonderes mehr.«
    Thomas nickte, behielt
seinen überheblichen Gesichtsausdruck jedoch bei.
    »Richtig. Und bestimmt
wartet diese Schnecke, die von hinten durchaus als Model durchgehen würde, nur
auf dich.« Er begann, an den von den Erdnüssen fettigen Fingern abzuzählen. »Du
bist also zehn Jahre älter und kämmst deine Haare erfolglos so, dass sie deine
Geheimratsecken verdecken sollen. Deine Augenbrauen sehen aus wie die eines
ehemaligen Finanzministers, und du bist zu blass, weil du nur die Wohnung
verlässt, um den Müll rauszubringen. Außerdem hast du einen draufgängerischen
Job als Verkäufer für Telekommunikationsgeräte, der den Geruch der großen
weiten Welt mit sich bringt. Und, wenn ich das als dein Freund hinzufügen darf,
hast du in letzter Zeit einen kleinen Bierbauch angesetzt, der sie mit
Sicherheit dazu bringen wird, sich in dich zu verlieben und gemeinsam mit dir
in den Sonnenuntergang zu reiten. Vorausgesetzt du findest ein Pferd, das dich
tragen kann.«
    Mit den letzten Worten
tätschelte er Daniels Bauch, zog seine Hand allerdings zurück, als er den Blick
seines Freundes auffing.
    »Und du? Du arbeitest im
Innenbetrieb einer Versicherung. Das ist auch nicht gerade Indiana Jones. Und
deine besten Sportlerzeiten, die sich auf Jugendkreisligafußball erstrecken,
hast du ebenfalls längst hinter dir. Und, wenn auch du mir erlaubst, deine
Frisur war schon out, als man noch riesige Blumen auf Tapeten druckte.«
    Thomas warf den Kopf zurück
und lachte. Das mochte Daniel an seinem Freund. Sie konnten sich alles sagen,
so wenig schmeichelhaft es auch war. Sie hatten sich bereits in der Grundschule
kennengelernt, und selbst wenn der Kontakt im Laufe der Jahre immer mal an- und
abgeflaut war, waren sie doch immer sehr gute Kumpels, fast schon Vertraute
gewesen.
    »Ich habe wenigstens noch
eine Frisur. Und ich bin nicht derjenige, der scharf auf die da ist.« Er wies
mit dem Finger auf die Verfolgte. »Ich stehe auf erfahrenere Frauen.«
    Der Geländewagen vor ihnen
setzte sich in Bewegung, kam wenig später wieder auf dem Grünstreifen zum
Stehen. Daniel tat es ihm nach. Es waren jetzt nur noch fünfhundert Meter zur
Abfahrt ins Freibad. Wenn die Frau dort
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