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Die Atom-Lüge

Die Atom-Lüge

Titel: Die Atom-Lüge
Autoren: Sascha Adamek
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Mururoa, Kosovo, Rheinsberg
    Die Befürworter der Atomenergie halten diese für beherrschbar. Dreimal hatte ich in meinem Leben mit Formen angeblich beherrschbarer Radioaktivität zu tun. 1995 badete ich gerade im südpazifischen Ozean zwölf Seemeilen vor dem Mururoa-Atoll, als der Kapitän unseres Protestschiffs wütend von Bord rief: »They’ve done it these bloody frogs!« Damit meinte er die französischen Atombombentester. Wir hatten uns abkühlen wollen, und es war erstaunlich, dass wir von der Explosion eines Atomsprengsatzes mit der anderthalbfachen Stärke der Hiroshima-Bombe nichts spürten. Auch nicht davon, dass das Atoll längst einem hochradioaktiven zerbombten Schweizer Käse glich.
    Die französische Regierung behauptet noch heute, die Atomtests seien beherrschbar gewesen, und leugnet die vielen Strahlenopfer in der Südsee.
    2001 war ich mit einer Ärztin von der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) im Kosovo unterwegs. Ich machte Bilder von einem ausgebrannten serbischen Panzer. Das Einschussloch in seiner Außenwand war eindeutig: Die Wand des Panzers war von einer panzerbrechenden Granate aus abgereichertem Uran durchschlagen worden. Die von der NATO in Serbien eingesetzten Waffen waren zuvor von den US-Streitkräften im Zweiten Golfkrieg gegen den Irak eingesetzt und für das massenhafte Auftreten einer Nervenkrankheit bei US-Soldaten
verantwortlich gemacht worden – dem sogenannten Golfkriegssyndrom. Die Granaten sollen niemanden verstrahlen und sind nur aufgrund ihrer Schwere und Durchschlagskraft attraktiv für das Militär. Sie sind ein Abfallprodukt der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernenergie. Im Kosovo sahen wir Kinder in der Nähe des Panzers spielen. Alles beherrschbar? Ich verliere beim Gedanken daran gelegentlich noch immer die Beherrschung.
    1998 besuchte ich mit einem Kamerateam das stillgelegte Atomkraftwerk Rheinsberg, um einen Film über die aufwendige Demontage des Kraftwerks zu drehen. Der Kameramann war sich nicht sicher, ob die Bilder etwas taugten, denn im Okular flimmerte es. »Das ist nur die Strahlung«, sagte unser Begleiter von der Kraftwerksleitung. Bevor wir den Reaktorbereich dann wieder verlassen durften, mussten wir uns einem Radioaktivitätstest unterziehen. Ich stand in einem Metallkäfig und wartete, da erklang ein Alarmsignal: »Kontamination – treten Sie in den Reaktorbereich zurück!« Der Kraftwerksmitarbeiter lachte: »Da haben Sie wohl ein Partikelchen abbekommen, gehen Sie noch einmal zurück und fahren Sie sich mal durch die Haare.« Wenn das nicht genüge, müsse ich zurück und duschen, erst dann dürfe ich heraus.
    Der Trick mit den Haaren funktionierte. Aber mir war nicht zum Lachen zumute. Der Abriss dieses Kraftwerks in Rheinsberg dauert noch immer an – erst in dreißig Jahren kann das Gebäude wegen der Verstrahlung vollends abgerissen werden. Bereits 420 Millionen Euro sind für den Rückbau an Steuergeldern verbraucht worden.
    In diesem Buch werde ich über die menschlichen und finanziellen Kosten der Atomenergie berichten – einer Energie, die von der schwarz-gelben Bundesregierung als beherrschbare,
billige und saubere »Brückentechnologie« propagiert wird – als habe es Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima nie gegeben – und eine Technologie, der ausgerechnet die erste rot-grüne Bundesregierung in Deutschland im Jahr 2000 eine zwei Jahrzehnte lange Galgenfrist eingeräumt hatte.

Die teuerste Lüge der Menschheit oder: Was kostet ein Mensch?
    Während in Japan Menschen an den Folgen der verheerenden Atomkatastrophe sterben, verändern sich in Deutschland die politischen Mehrheitsverhältnisse. Eine stets atomgläubige Kanzlerin unternahm den Versuch, unter dem Druck der Ereignisse kurz vor der wichtigsten Landtagswahl des Jahres in Baden-Württemberg zur Ausstiegskanzlerin zu mutieren. Sie verhängte ein Moratorium für die von CDU/CSU und FDP beschlossene Verlängerung der deutschen AKW-Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre. Sie sprach im Wahlkampf von Baden-Württemberg plötzlich von einem schnelleren Ausstieg als unter Rot-Grün. Die Wähler glaubten ihr diese Camouflage nicht. Aber was folgt nun daraus?
    Dieses Buch soll in der Debatte um das Wie und Ob des längst überfälligen Totalausstiegs aus der Atomkraft einen Lügendetektortest für Politiker bieten: Ist die Botschaft von Fukushima tatsächlich in den Köpfen aller Parteien angekommen oder wird – wie nach
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