Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst
Autoren: Andreas Acker
Vom Netzwerk:
schüttelte Yvonne leicht
an der Schulter.
    »Yvonne«, sagte er. »Wach
auf.«
    Keine Reaktion.
    Er verstärkte den Druck auf
ihre Schulter, erreichte jedoch nur, dass Yvonnes Kopf hin und her wogte wie
ein in Seenot geratenes Schiff.
    Nichts.
    Karla kniete sich neben ihn
und gab der Bankräuberin eine saftige Ohrfeige. Als das immer noch nicht die
gewünschte Reaktion brachte, legte Karla ihre Handfläche auf die Schwellung an
Yvonnes Wange und drückte zu.
    Das half. Die Rothaarige
zuckte zusammen, sog die Luft durch die Zähne ein. Ihre Lider flatterten wie
junge Vögel. Eine Minute später hatte sie es geschafft, ihre Augen
scharfzustellen. Sie drückte sich gegen die Wand, wollte Abstand zwischen sich
und Daniel und Karla bringen.
    »Was wollt ihr von mir?«,
fragte sie.
    »Dir helfen«, sagte Daniel.
»Steh auf.«
    »Warum?« Yvonne fuhr sich
mit der Hand über die geschwollene Gesichtshälfte, zuckte zusammen, ließ sie
wieder sinken.
    »Weil ich es sage. Und ich
bin der mit der Waffe.« Das hatte er mal in irgendeinem Film gehört und cool
gefunden. Aus seinem Mund hörte es sich jedoch nicht cool an, eher wie jemand,
der noch oben bei Mutti wohnt und einen auf harten Mann macht.
    »Wir haben entschieden, dir
eine Chance zu geben«, sagte Karla. »Daniel und ich gehen jetzt zur Polizei.
Entweder du bist verschwunden, wenn sie kommen, und versuchst unterzutauchen.
Oder du wartest hier und lässt dich einbuchten. Deine Wahl.«
    »Warum solltet ihr mir
helfen wollen?« Misstrauen hatte sich in Yvonnes Blick geschlichen wie ein
Fremdgeher in die Wohnung seiner Geliebten.
    Daniel zuckte die Schultern.
    »Wie Karla gesagt hat. Wir
denken, du hast eine zweite Chance verdient. Wir wissen, dass du das alles hier
nicht gewollt hast. Und außerdem ist dein hübscher Hintern viel zu schade für
den Knast.«
    Sein verzweifelter Versuch,
lustig zu sein, war fehlgeschlagen, nahm man Karlas Blick als Maßstab, der
einem schwülen Sommertag jede Wärme entzogen hätte.
    »Okay, vergiss das Letzte.
Im Endeffekt ist es uns egal, was du tust. Wir wollten dir nur eine Gelegenheit
geben, hier herauszukommen. Take it or leave it.«
Yvonne drückte sich vom Boden ab. Karla ging zu ihr und half ihr auf.
    »Danke«, sagte sie. »Das ...
das ist sehr nett von euch. Ich weiß nicht, ob ich das verdient habe.«
    Sie setzte sich in Richtung
Haupttreppe in Bewegung, jedoch schien sie Daniel und Karla nicht zu trauen,
denn sie ging rückwärts, ließ die beiden nicht aus den Augen. Daniel glaubte
nicht, dass Yvonne versuchen würde, sie anzugreifen, hatte als Abschreckung
aber immer noch die Pistole auf sie gerichtet.
    Yvonne wurde mit jedem
Schritt sicherer. Sie schien zu überlegen, ob sie sich umdrehen und losrennen
sollte. Doch sie lief weiter rückwärts vor ihnen her.
    »Ich auch nicht«, sagte
Daniel.
    »Ich wollte das alles
nicht.«
    »Wie gesagt: Wir wissen es.
Deshalb auch deine zweite Chance.«
    Doch Yvonne schien sich
jetzt alles von der Seele reden zu wollen, wahrscheinlich, um ihnen
klarzumachen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatten.
    »Ihr müsst mir das glauben.
Das war alles nicht so geplant. Wir sollten nur das Ding aus dem Schließfach
holen und Xerxes bringen.«
    Sie warf einen kurzen Blick
über die Schulter und bog auf die Haupttreppe ein, immer noch mit dem Rücken
voran gehend. Ihre Füße suchten Stufe für Stufe den Weg nach unten.
    »Was für ein Ding?«, fragte
Daniel.
    »Das war der Plan. Das
Schließfach aufbrechen, hierher flüchten, Xerxes das Objekt geben, bezahlt
werden, untertauchen. Ganz saubere Sache, oder?«
    »Was ist das für ein Objekt,
von dem du da sprichst?«, wiederholte Daniel seine Frage.
    »Pass auf, Yvonne. Hinter
dir.« Das war Karla.
    Yvonnes Fuß suchte die
nächste Stufe und fand sie. Sie warf Karla einen Blick zu, den man einer Mutter
zuwirft, die es mit ihrer Fürsorge übertrieb.
    »Alles klar, Schätzchen, ich
komme zurecht.«
    Sie setzte ihren Fuß die
nächste Treppenstufe.
    »Nein. Bleib stehen. Hinter
dir.«
    Yvonne lächelte nachsichtig,
hob einen Fuß, wollte die nächste Stufe hinabsteigen und fiel in das klaffende
Loch, das Zeit und Verwahrlosung in die Haupttreppe gefressen hatten.

Kapitel 36
     
    Das Knacken, das den
Aufprall von Yvonnes Körper auf die Kellertreppe begleitete, war
unmissverständlich. Auch der Umstand, dass er keinen Laut von ihr hörte, keinen
Schmerzensschrei, kein Stöhnen oder Ächzen verriet ihm die Wahrheit.
    Er ging auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher