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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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auch das Geklimper einer Leine, die gegen den Mast eines Segelboots schlug.
    Langsam zog er sich aus dem Wasser empor, bis sein Oberkörper auf dem Teakholzdeck ruhte. Das Boot war so groß, dass er nicht befürchten musste, es vielleicht zum Schaukeln zu bringen, als er an Bord kletterte. Seine Hauptsorge war, dass irgendein Sterngucker, der nicht schlafen konnte, ihn von einem der Boote in der Nähe sehen könnte. Er lauschte noch einige Minuten angestrengt und behielt dabei ein Segelboot und eine Yacht im Auge, die ungefähr hundert Meter weiter Richtung Küste vor Anker lagen. Zufrieden, dass niemand ihn beobachtete, zog er sich ganz auf die Plattform. Er blieb auf dem Bauch liegen, legte den Kopf auf die Unterarme und verharrte regungslos.
    Rapp hatte in den vergangenen Monaten die Situation in Gedanken wieder und wieder durchgespielt. Er hatte sich verschiedene Szenarien vorgestellt, wie er die Sache erledigen könnte. Seine jahrelange Erfahrung sagte ihm, dass er auf Nummer sicher gehen sollte. Nur kein unnötiges Risiko eingehen. Schalte ihn so schnell aus, dass er gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Doch da meldete sich auch eine andere Stimme in ihm, die nur zu gerne die Angst in Garrets Augen sehen wollte. Der Mann war ein Egomane der widerlichsten Sorte, dem es nicht eine schlaflose Nacht bereitete, dass er mitschuldig war am Tod von über einem Dutzend unschuldiger Menschen und an den schweren Verletzungen vieler anderer, die sich körperlich und psychisch nie mehr ganz von dem Schock erholen würden. Ihn einfach nur auszuschalten hätte bedeutet, ihn allzu leicht davonkommen zu lassen.
    Es galt bei dieser Operation vor allem zwei Dinge zu berücksichtigen: Garrets Frau durfte nicht zu Schaden kommen, und sein Tod musste wie ein Unfall aussehen. Angesichts der Fortschritte in der modernen Forensik war das keine leichte Aufgabe. Rapp hatte sich fast von Anfang an auf Garrets Vorliebe für Boote konzentriert. Jedes Jahr starben Tausende Menschen bei Bootsunfällen – durch Kollisionen, Brände, Ertrinken oder Stromschläge; es kam auch vor, dass Leute spurlos verschwanden.
    Jedes Mal, wenn ein neuer Überwachungsbericht von der Westküste eintraf, nahm sich Rapp die Zeit, ihn gründlich durchzulesen und dabei seine Möglichkeiten abzuwägen. Nach einer Weile begann sich ein bestimmtes Muster herauszukristallisieren. Rapp wollte sich selbst ein Bild machen und flog mit einem Privatflugzeug nach San Diego. Er kam nach Einbruch der Dunkelheit an und reiste noch vor Sonnenaufgang wieder ab. Vom Balkon einer Ferienwohnung aus beobachtete er stundenlang den Yachthafen, in dem Garrets Boot vor Anker lag. In dieser einen Nacht bestätigte sich für Rapp die Möglichkeit, die er beim Studium der Berichte entdeckt hatte.
    In den vergangenen Monaten hatte sich Rapp mehr als ein Dutzend Todesarten für Garret ausgedacht, doch nur zwei davon hielten einer strengen Prüfung stand. Als sie herausbekamen, dass er diese Reise mit seiner neuen Yacht plante, begann die Sache konkrete Formen anzunehmen. Auch nachdem er Rivera mitgeteilt hatte, dass sie ihn begleiten würde, spielte Rapp in Gedanken diese beiden Szenarien weiter durch. Er dachte so oft daran, Garret zu töten, dass es ihm fast schon wie eine Erinnerung vorkam.
    Praktisch jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er sich an genau dem Platz, wo er jetzt war – auf der Schwimmplattform von Stu Garrets Yacht. Hier würde ihn niemand bemerken. In einer mondhellen Nacht hätte man ihn vielleicht für eine zusammengerollte Plane halten können. In einer dunklen Nacht wie heute war er so gut wie unsichtbar. Alles, was jetzt noch zu tun blieb, war, auf Garret zu warten.

4 ATOMANLAGE ISFAHAN, IRAN
    Der Hausmeister schob den Wagen so langsam den Gang entlang, dass es entweder nach einer Beinverletzung oder nach mangelndem Arbeitseifer aussah. Er trug einen ausgeblichenen grünen Overall mit seiner Sicherheitsmarke an der linken Brusttasche. Sein schwarzes Haar war ebenso grau meliert wie sein Bart. In den vergangenen eineinhalb Jahren hatte er praktisch jeden Raum, jeden Flur und jede Treppe in der Anlage gefegt und geschrubbt. Er verhielt sich respektvoll gegenüber seinen Vorgesetzten, war stets freundlich und allgemein beliebt bei all den Leuten, die an der wichtigen wissenschaftlichen Arbeit beteiligt waren, die hier geleistet wurde.
    Der Name auf seiner Sicherheitsmarke lautete Moshen Norwrasteh. Er war sechzig Jahre alt und stammte aus der Stadt Bam im
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