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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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Südosten des Iran. Bei dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2003, bei dem über 30.000 Menschen ums Leben kamen, hatte er seine Frau, zwei Kinder und drei Enkelkinder verloren. Norwrasteh hatte nach dem Erdbeben jahrelang versucht, Arbeit zu finden, bis ihm eines Tages ein Cousin, der bei der Atomenergiebehörde beschäftigt war, eine Stelle in der Nuklearanlage von Isfahan verschaffte. Seine Kollegen akzeptierten ihn anfangs überhaupt nicht. Bei der derzeitigen hohen Arbeitslosigkeit war jede Stelle begehrt, auch die eines Hausmeisters. Die Leute aus der Gegend, mit denen er zusammenarbeitete, nahmen es ihm übel, dass er als Fremder einem der Ihren die Stelle weggeschnappt hatte.
    Nach ein, zwei Monaten begann er jedoch Sympathien zu gewinnen. Was ihm dabei half, war die Tatsache, dass er schon immer gern an Elektrogeräten herumgebastelt hatte. Sobald das bekannt war, brachten die Leute ihre Telefone, Radios, Toaster und Staubsauger mit, praktisch alles, was einen Stecker besaß, und er reparierte es. An den Wochenenden und Abenden fuhr er oft zu den Kollegen nach Hause und half ihnen, ihre Elektroinstallationen auf Vordermann zu bringen. Er nahm nie Geld dafür, ihm genügte eine warme Mahlzeit und der Umgang mit den Menschen, der die Leere ausfüllte, die der Tod seiner Familie hinterlassen hatte.
    Norwrasteh war sogar im Haus von Ardeshir Hassanpour gewesen, dem berühmten iranischen Wissenschaftler, der für das Programm zur Urananreicherung verantwortlich war. Hassanpour hatte ihn in seiner winzigen Werkstatt im Erdgeschoss aufgesucht und ihn gefragt, ob er zu ihm nach Hause kommen und ein paar Dinge reparieren könne. Norwrasteh hatte geantwortet, dass es ihm eine Ehre sei. Nachdem er einen Deckenventilator installiert und zwei kaputte Lampen repariert hatte, bekam er weder eine Bezahlung angeboten noch auch nur ein einfaches Dankeschön zu hören. Eine Einladung zu einer warmen Mahlzeit schien ohnehin ausgeschlossen, nicht einmal zusammen mit den Dienstboten. Als Norwrasteh das Haus verließ, dachte er sich, dass er kein Mitleid mit diesem Mann empfinden würde, wenn es zum großen Knall kam. Was die anderen betraf, all jene, die ihm ihre Freundschaft geschenkt hatten, so würde er alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie die Anlage unverletzt verlassen konnten.
    Moshen Norwrastehs richtiger Name war Adam Shoshan. Er hatte sich dreimal freiwillig für diese Operation gemeldet, bevor der Generaldirektor des Mossad und der Ministerpräsident schließlich einverstanden waren. Von Anfang an war ihr größter Vorbehalt gewesen, dass er sich freiwillig für die Mission meldete. Shoshan wusste einfach zu viel. Er war ein hochrangiger Agent, kein frischer Rekrut, den man aus der israelischen Armee angeworben hatte.
    Mit seinen siebenundzwanzig Dienstjahren war er ein Veteran in einem der gefürchtetsten Geheimdienste der Welt und der Experte für den Iran. Er sprach fließend Farsi und Arabisch, und was noch wichtiger war, er hatte die ersten zwanzig Jahre seines Lebens im Iran verbracht. Shoshan war in Teheran als Sohn eines reichen Diamantenhändlers zur Welt gekommen, der großen Einfluss in der persisch-jüdischen Gemeinde hatte. Als die iranische Revolution begann, wurde Shoshans Vater zunehmend nervös, und so schickte er 1979 seine Frau und seine Kinder nach Wien zu Verwandten. Er hatte vor, sie wieder zurückzuholen, wenn sich die Lage beruhigt hatte. Leider kam es anders. Fünf Monate nachdem er seine Familie in Sicherheit gebracht hatte, wurde Shoshans Vater der Spionage und Volksverhetzung beschuldigt und angeklagt. Der Prozess war reine Farce und dauerte keine fünf Minuten. Man verweigerte ihm einen Anwalt, und er durfte nicht einmal selbst zu den Anschuldigungen Stellung nehmen. Er wurde schuldig gesprochen und anschließend mit einem Kopfschuss hingerichtet.
    Adam Shoshan war der einzige überlebende männliche Verwandte. Gegen den Wunsch seiner Mutter ging er nach Israel und trat in die Armee ein – zu einer Zeit, als sich die Lage in der Region wieder zuspitzte. Eine neue Gruppe namens Hisbollah gewann an Einfluss, und die PLO behauptete sich in den besetzten Gebieten und darüber hinaus. Im Jahr 1982 stand er bei der Invasion in den Südlibanon an vorderster Front. Seine militärische Laufbahn fand ein jähes Ende, als sich ein Selbstmordattentäter der Hisbollah auf einer Fußpatrouille mitten in Shoshans Zug in die Luft sprengte. Ein Granatsplitter bohrte sich in sein linkes Bein und
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