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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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den Tag und beschloss ihn mit einer Flasche Chardonnay, manchmal auch zwei. Diese Gewohnheiten und seine vergrößerte Prostata machten ein bestimmtes nächtliches Ritual unumgänglich. Um etwa drei Uhr nachts und dann noch einmal um sechs stand er auf, um sich zu erleichtern. Gewiss hätte es schon geholfen, sich beim Kaffee und beim Wein einzuschränken, aber Garret verzichtete nicht gern auf etwas, das er mochte. Für ihn war es auch nicht das Problem, aufzustehen und auf die Toilette zu gehen; das Schwierige war oft, wieder einzuschlafen. Die Wunderwaffe, die er für sich entdeckt hatte, war das Schlafen auf dem Wasser. An Land war es Garret fast unmöglich, eine ganze Nacht gut zu schlafen. Auf dem Wasser hingegen konnte er sich erleichtern, so oft es seine angeschwollene Prostata verlangte, und die sanfte Bewegung des Meeres wiegte ihn zuverlässig wieder in den Schlaf.
    Der zweite Vorteil des Lebens auf einem Boot war die Einsamkeit. Je älter Garret wurde, umso mehr wurde ihm klar, dass er Menschen einfach nicht mochte. Die meisten fand er schlichtweg unerträglich, doch selbst die wenigen, die er mochte, wurden ihm recht schnell lästig. Er hatte ein beachtliches Vermögen damit gemacht, Männern und Frauen dazu zu verhelfen, dass sie in ein Amt gewählt wurden. Professionelle Charmeure, die jederzeit in verschiedene Rollen schlüpfen konnten, um es allen potenziellen Wählern recht zu machen. Selbst diese Chamäleons gingen ihm irgendwann auf die Nerven. Nach einer Weile fand er ihren vorgetäuschten Optimismus und ihr politisch korrektes Geschwätz unerträglich. Im Grunde seines Wesens war Garret ein jähzorniger Mensch, der überzeugt war, dass jeder nur in seinem ureigenen Interesse handelte.
    Der Fernsehprediger, der von seiner Liebe zu Christus sprach, tat das nicht aus echter Verehrung für seinen Erlöser, sondern weil er wollte, dass ihn die anderen achteten. Garret hatte einfach zu viele Hollywoodtypen gesehen, die bei jeder Gelegenheit beteuerten, wie wichtig es sei, Mutter Erde zu retten, während sie es sich in ihren riesigen Häusern gemütlich machten, in denen sie ganz allein wohnten. Ging es ihnen wirklich um die globale Erwärmung oder waren sie ganz einfach Heuchler? Natürlich gab es jede Menge scheinheilige Typen, doch die meisten wollten ganz einfach akzeptiert und als aufgeklärte, intelligente und mitfühlende Menschen angesehen werden. Garret hatte so etwas nicht nötig. Er sehnte sich nach der Anerkennung seiner Mitmenschen ungefähr so wie nach einem Tritt in die Eier.
    Der Vergleich ließ Garret lächeln. Er war sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie sich sein Leben entwickelt hatte. Vor allem wenn man bedachte, wie die Dinge noch vor einem Jahr gestanden hatten. Er hatte soeben seinen zweiten erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf hinter sich gebracht. Dem Triumph war eine der größten Aufholjagden in der Geschichte des Landes vorausgegangen, was ihn mit einem Gefühl der Allmacht erfüllte. Gewiss, der Sieg war mit extremen Mitteln errungen worden, aber danach fragte jetzt niemand mehr. Das Entscheidende war, dass er seinen Job gemacht hatte. Die Politik war nun einmal ein raues Geschäft, in dem beide Seiten zu so gut wie allem bereit waren, um zu gewinnen. Die Geschichtsbücher waren voll mit guten Beispielen dafür. Wie oft hatte nicht ein Thronanwärter seine Geschwister vergiftet, um an die Macht zu gelangen. Wie oft war es nicht vorgekommen, dass wegen irgendwelcher Ideale und Weltanschauungen Bürgerkriege angezettelt wurden, die Millionen Menschen das Leben kosteten. Es war unmöglich, all die politischen Morde zu zählen, die blutigen Staatsstreiche und Revolutionen, die ganze Kontinente ins Chaos stürzten. Julius Cäsar war durch dreiundzwanzig Dolchstiche getötet worden – ein Mord, hinter dem einige der gebildetsten Senatoren Roms standen. Hitler ließ den Reichstag vermutlich selbst niederbrennen und schob die Tat den Kommunisten in die Schuhe. Endlos war die Liste von Leuten, die gelogen, betrogen und gemordet hatten, um an die Macht zu gelangen.
    Wenn es für Garret eine Lektion gab, die man aus der Geschichte lernen konnte, dann die, dass der Sieg stets an denjenigen ging, der ihn mit aller Entschlossenheit anstrebte. Wenn man sich ansah, mit welchen Mitteln manche historische Persönlichkeiten sich den Weg an die Macht gebahnt hatten, dann nahm sich das, was Garret getan hatte, in seinen Augen vergleichsweise harmlos aus. Außerdem hätte er nie bei
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