Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
abhing, dass ihn alle für einen echten Iraner hielten.
    Er passte sich an und machte seinen Job. Er putzte Toiletten, wischte Fußböden und hielt seine Augen und Ohren offen. Zuerst war er mit äußerster Vorsicht vorgegangen. Überraschungsinspektionen waren nichts Ungewöhnliches, und die Sicherheitsleute waren gegenüber Neulingen besonders streng. Die kleine Kammer, in der er seine Reinigungsutensilien abstellte, wurde allein im ersten Monat zweimal auf den Kopf gestellt. Dies bewog den ohnehin schon sehr vorsichtigen Shoshan, noch besser aufzupassen. Nach dem zweiten Monat wurde ihm klar, dass die Wächter seine Kammer nicht filzten, um nach Hinweisen auf eventuelle Spionagetätigkeit zu suchen, sondern um irgendwelche Sachen zu klauen. In den folgenden Monaten lernte Shoshan sie besser kennen, und ihr Misstrauen gegenüber dem Neuen schwand allmählich. Was schließlich das Eis brechen sollte, war Shoshans altes Hobby, an allen möglichen Geräten herumzubasteln, vor allem solchen, die mit Strom betrieben wurden.
    Als Shoshan eines Tages im Pausenraum der Sicherheitsleute putzte, hörte er zufällig mit, wie sich die Männer darüber beklagten, dass der Empfang an dem Fernseher hier im Zimmer immer schlechter wurde. Er bot ihnen an, sich das Gerät anzusehen, und sie hatten nichts dagegen. Shoshan brauchte nur einen kurzen Blick in den Fernseher zu werfen und den Schraubenzieher zur Hand zu nehmen, um das Problem mit ein paar Handgriffen zu lösen. In den Augen der Wächter erlangte er damit einen fast gottähnlichen Status. Im Handumdrehen reparierte er kaputte Fernseher, Mikrowellenherde, Radios und so gut wie alle anderen Elektrogeräte. Es sprach sich schnell herum, dass der neue Hausmeister ein sehr geschickter und hilfsbereiter Mann war. Sogar Ali Farahani, der Sicherheitschef, wandte sich an ihn. Es war mitten im heißen Sommer, und Farahanis Klimaanlage funktionierte nicht.
    Shoshan fuhr zu Farahanis Haus und fand auch rasch das Problem. Er bestellte ein Ersatzteil und baute es am nächsten Wochenende ein, ohne etwas dafür zu verlangen. Farahani war sehr dankbar und fragte ihn, ob er irgendetwas für ihn tun könne. Shoshan sagte, dass es sehr wohl etwas gebe, und zeigte dem Sicherheitschef in der Anlage seine kleine Kammer. Außer den Besen, Wischern und Eimern stapelten sich in dem engen Raum nun auch alle möglichen Haushaltsgeräte, die darauf warteten, repariert zu werden. Farahani war zuerst erbost, weil er dachte, dass die anderen Mitarbeiter den Hausmeister ausnutzten, doch Shoshan versicherte ihm, dass dies nicht der Fall sei. Er habe ja keine Familie mehr, die zu Hause auf ihn wartete. Die Arbeit helfe ihm, die einsamen Abendstunden auszufüllen. Was Shoshan von Farahani wollte, war die Erlaubnis, nach der Arbeit hier bleiben zu dürfen, damit er an den Geräten arbeiten konnte. Farahani gab ihm nicht nur die Erlaubnis – er verschaffte ihm auch einen viel größeren, unbenutzten Lagerraum im dritten Untergeschoss, wo er sich seine Reparaturwerkstatt einrichten konnte. Shoshan war sich durchaus bewusst, dass er damit einen großen Durchbruch erzielt hatte, doch er hätte sich nicht träumen lassen, wie vorteilhaft sich diese Veränderung für ihn auswirken sollte.
    In den folgenden Monaten verbrachte Shoshan viele Abende und Wochenenden in der Anlage. Er erkundete tagsüber die Gänge, während er seinen Reinigungswagen von einem Raum zum nächsten schob. Die Wächter warfen ihm höchstens noch einen kurzen Blick zu, wenn er mit seinen Werkzeugkästen, den Batterien, Röhren und all dem anderen Zeug vorbeikam, das er für seine Werkstatt brauchte. In dieser Zeit lernte er auch Cyrus Omidifar kennen. Omidifar war der Chefingenieur der gesamten Anlage. Er war der Mann, der dafür zu sorgen hatte, dass alles reibungslos funktionierte. Die Maschinen, die Aufzüge, das Belüftungssystem, die Rohrleitungen – für all das war Omidifar verantwortlich. So wie Shoshan war auch er ein leidenschaftlicher Bastler.
    Zuerst erkannte Shoshan nicht, wie wichtig Omidifar und die Dinge waren, für die er zuständig war. Shoshan hatte sich so sehr auf die Wissenschaftler und das Atomprogramm konzentriert, dass er gar nicht an das Drumherum dachte, an die baulichen Strukturen, in die die Anlage eingebettet war. Das änderte sich, als er Omidifar eines Abends in seinem oberirdischen Büro besuchte. Auf dem Tisch lagen die Pläne für die gesamte Anlage. Shoshan erinnerte sich an den Auftrag, den ihm die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher