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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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Er stellte die Füße auf den Boden, griff nach der Kante des Bücherregals und stand auf. Nackt, wie er war, ging er durch die Kabine zur offenen Tür. Ein Lichterstreifen entlang dem Fußboden erhellte den Weg zum Badezimmer. Garret benutzte die Bordtoilette so selten wie möglich, und nie um einfach nur zu pinkeln. Eine seiner hervorstechenden Eigenschaften war sein Geiz, und er würde den Teufel tun, die horrende Gebühr zu zahlen, die hier im Hafen verlangt wurde, um seine Abwassertanks zu entleeren.
    Er kam zu der Tür, die hinauf an Deck führte, und öffnete das Schloss. Während er die Treppe hinaufging, dachte er an den unvergleichlichen Kick, den es ihm gab, einen Präsidentschaftswahlkampf zu leiten. Vielleicht war es wirklich Zeit, wieder ins Spiel einzusteigen. Wenn sie ihn wirklich töten wollten, dann hätten sie das sicher schon vor einigen Monaten getan.
    Garret trat völlig sorglos in das geräumige Cockpit; er wäre ohnehin viel zu ungeduldig gewesen, um sich sicherheitshalber erst einmal umzusehen. Für ihn war es einfach undenkbar, dass da draußen jemand lauern könnte. Er ging zur Backbordseite und den schmalen Durchgang hinunter, der zur Schwimmplattform führte. Mit der rechten Hand hielt er sich an der Bootswand fest, als er die Treppe hinunterstieg. Seine Knie und sein Rücken waren steif. Als er die große Plattform erreichte, wandte er sich sofort nach rechts, wie er es immer machte.
    Garret stellte sich an den Rand, beugte die Knie einige Male und gähnte, während er darauf wartete, dass der Druck seiner Prostata auf die Blase nachließ. Wie er so über die Bucht zu den Lichtern des Städtchens an der Küste hinüberblickte, bemerkte er ein leichtes Zittern unter seinen Füßen. Er wollte sich umdrehen und über die Schulter spähen, doch noch ehe sich sein Kopf auch nur zwei Zentimeter bewegt hatte, drückte sich eine Hand auf seinen Mund. Sein erschrockener Aufschrei blieb ihm in der Kehle stecken. Garret spürte den warmen Atem des Mannes an seinem rechten Ohr, dann hörte er eine Stimme. Es war ein Knurren, kaum lauter als ein Flüstern, und es jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
    »Ein verdammter Mucks, und ich breche dir den Hals wie einen Zahnstocher.«

6 ISFAHAN, IRAN
    Adam Shoshan bog mit seinem Rollwagen um die Ecke und zählte die Schritte. Zu seiner Erleichterung war der lange kahle Korridor leer. Er fand die schwache Bleistiftmarkierung in Hüfthöhe und klappte seinen kleinen Schemel auseinander. Er griff unter den Wagen, zog ein Metallkästchen hervor und riss das Wachspapier von der Hinterseite ab, sodass eine klebrige Oberfläche zutage trat. Nachdem er sich noch einmal umgeblickt hatte, kletterte er auf den Schemel und drückte das Kästchen fest an die Wand. Er durfte jetzt keine Zeit verlieren, klappte den Schemel zusammen, legte ihn auf seinen Reinigungswagen und ging rasch weiter.
    Shoshans Mission hatte sich in einer Weise entwickelt, die niemand hatte vorhersehen können. Er war als Spion im klassischen Sinn losgeschickt worden. Seine Aufgabe war es, heimlich Informationen über die Atomanlage in Isfahan zu sammeln, und sonst nichts. Er sollte sich auf nichts einlassen und keinerlei Risiko eingehen. Es ging allein darum, zu beobachten, wer hier ein und aus ging und zu welchen Zeiten. Er sollte Dossiers über die wichtigsten Wissenschaftler anlegen und vor allem die Kapazität der Zentrifuge zur Urananreicherung ermitteln. Zuletzt hatten ihm die Luftstreitkräfte noch eine zusätzliche Aufgabe mit auf den Weg gegeben. Wenn möglich, sollte er ihnen einen Plan von der Anlage verschaffen. Schließlich würden sie es sein, die den Befehl bekommen würden, die Anlage zu zerstören, und je besser sie Bescheid wussten, wo sie ihre Bomben genau abwerfen mussten, umso größer waren die Erfolgsaussichten.
    Shoshan hatte die strikte Anweisung, vorsichtig vorzugehen, sich Zeit zu lassen und sicherzugehen, dass er präzise Informationen lieferte. Es war keine Blitzoperation, bei der es darum ging, schnell hinein- und wieder hinauszukommen. Im Mossad ging man davon aus, dass er mindestens ein Jahr im Land bleiben würde. Shoshan fühlte sich geehrt durch den Auftrag und war fest entschlossen, die Erwartungen seiner Vorgesetzten voll und ganz zu erfüllen. Jedes Mal, wenn der wahnsinnige iranische Präsident im Fernsehen auftrat und seinem Wunsch Ausdruck verlieh, Israel in einer Atomexplosion vergehen zu sehen, wurde Shoshan daran erinnert, wie viel davon
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