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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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bestimmte Zeit einzustellen, zu der sie detonieren sollten. Er präparierte die Ladungen in seiner Werkstatt, bevor er eine jede an ihrem Platz anbrachte.
    Sechsundzwanzig Sprengladungen zu je dreieinhalb Kilo. Nicht einmal hundert Kilo Sprengstoff. Abrissfirmen setzten viel mehr ein, wenn sie ein Gebäude so sprengten, dass nur noch saubere kleine Haufen übrig blieben. Doch das war auch gar nicht Shoshans Ziel. Er musste kein ganzes Gebäude zu Fall bringen und sich auch keine Gedanken darüber machen, wie sie hinterher die Trümmer wegräumen konnten. Seine Aufgabe war viel einfacher. Er würde die wichtigsten tragenden Säulen zwischen dem vierten und zweiten Untergeschoss knicken. Dies würde bewirken, dass die oberen drei Stockwerke in sich zusammenfielen und auf das letzte Untergeschoss stürzten. Wenn ein so großes Gewicht mit solcher Wucht herabfiel, würden auch die untersten vertikalen Stahlträger brechen. Die vier Stockwerke würden plattgedrückt werden wie Pfannkuchen. Der zerquetschte Reaktor würde das Ganze zu einer einzigen radioaktiven Masse machen.
    Shoshan hinkte den Gang entlang und sah auf seine Uhr. Er hatte noch eine knappe halbe Stunde Zeit, die Anlage zu verlassen. Nachdem er die Ladungen angebracht hatte, brauchte er nur noch seinen Wagen zurück in den Lagerraum zu bringen und nach oben zu gehen. Wenn die Explosionen begannen, würde er zum Tor gehen und in dem allgemeinen Durcheinander verschwinden. Er öffnete die Tür zu seinem Lagerraum und zog den Wagen hinein. Der fensterlose Raum war für fast ein Jahr seine Zufluchtsstätte gewesen. Abends, wenn die Anlage verlassen war, schloss er die Tür und ließ die Maske von Moshen Norwrasteh, dem Iraner, fallen. Nach und nach verwandelte er sich wieder in den Israeli Adam Shoshan. Ihm fiel jedoch auf, dass die beiden Männer nicht so verschieden waren, wie man meinen mochte.
    Es gab Augenblicke, in denen er im Zwiespalt war. Er machte sich Sorgen um die netten Leute, die er hier getroffen hatte, und fragte sich, wie es ihnen ergehen würde, wenn der Anschlag losging. Das Hauptquartier hatte unmissverständlich gesagt, dass die Anlage mitten am Tag zerstört werden sollte. Sie wollten nicht nur die Anlage selbst vernichten, sondern auch die wissenschaftlichen Verantwortlichen für das Atomprogramm des Iran. Je mehr Leute unten in den Labors arbeiteten, wenn die Bomben hochgingen, umso besser.
    Es überraschte Shoshan nicht, dass er die Anweisung bekam, maximalen Schaden anzurichten. Er war selbst oft genug hart gewesen und hatte sich gezwungen gesehen, Befehle zu geben, die manchem herzlos erscheinen mochten. Seit er diese Anweisung erhalten hatte, lag er jedoch Nacht für Nacht wach in seinem Bett und überlegte, wie er das Dilemma lösen konnte. Er hatte hier einige sehr freundliche Menschen kennengelernt. Natürlich gab es auch einige hasserfüllte Antisemiten, aber die meisten Leute hier unterschieden sich in nichts von seinen Nachbarn und Kollegen daheim in Israel. Es erschien ihm einfach nicht richtig, dass sie sterben sollten, nur weil sie die Anweisungen von religiösen Fanatikern ausführten.
    Als er dann Imad Mukhtar in der Anlage sah, waren seine Vorbehalte mit einem Schlag so gut wie weg. Es gab zurzeit vielleicht keinen größeren Schurken im Nahen Osten. Mukhtar stand hinter zahlreichen Selbstmordanschlägen, hinter Bombenangriffen auf Zivilpersonen und vielen Entführungen. An seinen Händen klebte das Blut von Tausenden Israelis. Als einer der Gründer der Hisbollah war er fest entschlossen, für die Vernichtung des Staates Israel zu kämpfen. Allein die Tatsache, dass er diese Anlage besuchte, bestätigte die schlimmsten Befürchtungen, die man in Israel hegte – dass der Iran vielleicht schon bald einer Terrorgruppe wie der Hisbollah eine Atombombe überlassen würde. Es war einfach zu verlockend, diesen Mann so nahe der festgesetzten Zeit in der Anlage zu erwischen.
    Shoshan blickte sich kurz in dem Raum um und überlegte, ob er irgendetwas mitnehmen sollte. Es ging nicht darum, eventuelle Spuren zu beseitigen. Das Wenige, das er zurückließ, war gut verborgen und würde bei der Explosion ohnehin vernichtet werden. Shoshan verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Während er zum Aufzug ging, dachte er an seinen Freund Ali Omidifar. Er hatte sich einen Plan ausgedacht, wie er dafür sorgen konnte, dass sein Freund zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht im Gebäude sein würde. Er drückte die Ruftaste des
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