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1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache
Autoren: Jason Dark
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Der Tisch stand nicht in London, sondern in einer viel kleineren Stadt und dabei noch in einem anderen Land, Frankreich nämlich.
    Im Süden, in einem Ort, der Alet-les-Bains hieß und das Hauptquartier der Templer war, die von meinem Freund Abbé Bloch geführt wurden. Dorthin hatte ich mich zurückgezogen, nachdem ich Äthiopien verlassen hatte, in dem ungemein viel geschehen war. [1]
    Auch jetzt konnte ich es nicht fassen, daß es ausgerechnet mir gelungen war, das größte aller Geheimnisse zu entdecken, die Bundeslade nämlich.
    Ja, ich hatte sie gesehen. Ich wußte, wie sie aussah, ich hatte sie in meinem Wahn auch öffnen wollen, es aber letztendlich nicht getan, was sicherlich mein Glück gewesen war.
    Ein anderer hatte es versucht. Hector de Valois, das silberne Skelett, das mir mit Hilfe des Knochensessels bis nach Äthiopien gefolgt war. Es hatte mir zur Seite stehen wollen, aber dann waren die Dinge anders gelaufen. Die Lade hatte reagiert und das Skelett schmelzen lassen.
    Aus, vorbei. Ich war indirekt schuld an seinem Tod. Doch noch viel mehr trauerte ich um meine Eltern.
    Sie waren tot – beide!
    Keine Mutter mehr zu haben, keinen Vater. Das mußte ich erst einmal verdauen. Ich hatte es vorhergesehen, ihren Tod miterlebt, weil ich auf dem Rad der Zeit festgebunden gewesen war, aber ich hatte es nicht so recht glauben können und tief in meinem Innern alles noch für einen Irrtum gehalten.
    Nun wußte ich Bescheid.
    Der Abbé hatte es mir gesagt. Er hatte mir dann den Gefallen getan und mich allein gelassen. Es war besser, denn ich mußte mit dem Tod der beiden erst einmal fertig werden.
    Noch war ich dazu nicht in der Lage. Ich hockte da, starrte vor mich hin und ließ den Tränen freien Lauf. Ein nasses Gesicht, das Zucken der Lippen, der Augen und der Wangen. Es war mir unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. In meinem Kopf rotierte alles, und ich war mir selbst fremd geworden.
    Es war alles vorbei!
    Das Haus meiner Eltern in Lauder stand leer. Wenn ich es betrat, würde ich nie mehr in die freudigen Augen meiner Mutter sehen können und ihre Umarmung spüren. Auch nicht die Freude meines Vaters erleben, der mich ebenfalls in seine Arme schloß.
    Von nun an stand ich allein auf der Welt. Ich war erwachsen geworden, das ist man ja wohl ohne seine Eltern.
    Dabei waren sie eines ungewöhnlichen Todes gestorben. Man hatte sie brutal ermordet. Es waren die Geister der Hüter der Lade gewesen, die sich auf meinen Vater und meine Mutter gestürzt und sie mit messerähnlichen Waffen getötet hatten. Sie schienen schon zu dem Zeitpunkt geahnt zu haben, daß ich das Rätsel würde lösen können und hatten versucht, es zu verhindern. Dabei hatten sie auf meine Eltern keine Rücksicht genommen.
    Jetzt saß ich hier, machte mir Vorwürfe, und wartete. Ich wußte nicht mal, auf wen oder was ich wartete. Ich saß einfach nur da, eingesperrt im Gefängnis meiner Trauer.
    Manchmal nur wurde die Stille unterbrochen, wenn ich schluchzte oder stöhnte. Meine Kehle wurde enger. Wenn mir jetzt jemand etwas zu essen oder zu trinken angeboten hätte, ich hätte abgelehnt, denn ich hätte nichts runtergekriegt. Alles war so anders geworden, so schrecklich, und auch ich fühlte mich mehr tot als lebendig.
    Mein Magen schmerzte. Ich zitterte. Schuldgefühle stiegen beklemmend in mir hoch, und ich wußte nicht, wie ich mit ihnen fertig werden sollte.
    Mir war kalt und heiß zugleich.
    Ich hätte am liebsten laut geschrien, tat es aber nicht. Ich blieb so still, so starr – wie jemand, der im Sitzen an diesem Tisch gestorben war. Schweiß bedeckte mein Gesicht, obwohl es nicht so warm war.
    Ich dachte daran, daß der Abbé irgendwann zurückkehren und mit mir sprechen würde. Er hatte es schon vorher tun wollen, doch das hatte ich mir verbeten.
    Jetzt war alles zu spät. Nichts, aber auch gar nichts würde ich rückgängig machen können. Ich war in ein Fahrwasser hineingeraten, dessen Fluten mich mitrissen. Auch wenn ich versuchte, mich dagegen anzustemmen, es war nicht zu schaffen. Der Druck in meinem Magen wollte einfach nicht weichen. Das waren die Gewissensbisse, die mich quälten, und ich spürte, wie ich am gesamten Körper zitterte.
    Es war wie ein Schüttelfrost. Es überkam mich rasant, ich konnte nichts dagegen unternehmen, und ich verlor auch den festen Stand meiner Ellenbogen. Ich rutschte über die Kante hinweg ab und konnte mich im letzten Augenblick noch fangen, sonst wäre ich mit dem Kinn oder dem
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