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Die Bedrohung

Die Bedrohung

Titel: Die Bedrohung
Autoren: Vince Flynn
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zerriss die Kniesehne – eine Verletzung, die bleibenden Schaden anrichtete.
    Er lag noch im Krankenhaus, als ihn jemand vom Mossad besuchte. Es stellte sich heraus, dass sie ihn schon von Anfang an im Auge hatten, seit er den israelischen Streitkräften beigetreten war. Die Hisbollah wurde immer stärker, und der israelische Geheimdienst brauchte dringend Leute, die in der Lage waren, den Einfluss des Iran auf die neueste Terrororganisation im Nahen Osten zu analysieren. Und genau das tat Shoshan auch in den nächsten beiden Jahrzehnten. Er begann mit dem Sammeln von Informationen und wechselte später zur Abteilung für politische Aktion und schließlich zur Abteilung für Spezialoperationen, wo er zur Nummer zwei aufstieg. Er war an der Planung und Ausführung von Dutzenden von politischen Morden und paramilitärischen Operationen beteiligt gewesen und hatte mitgeholfen, Spione in Teheran, Damaskus und darüber hinaus zu rekrutieren.
    Man nahm die Möglichkeit zunächst nicht ernst, jemanden in den Iran zu schicken, der körperlich nicht mehr wirklich fit war. Shoshan war seit fast zehn Jahren nicht mehr an der Durchführung einer Operation beteiligt gewesen, und er hatte auch nie über einen längeren Zeitraum verdeckt gearbeitet. Nachdem man jedoch nur wenige Alternativen hatte und der Iran kurz davorstand, zur Atommacht aufzusteigen, erschien Shoshans Vorschlag den Verantwortlichen immer weniger absurd. Die Idee war kühn, aber einfach, und der Generaldirektor begann allmählich die Vorzüge des Plans zu erkennen. Es gab jedoch ein gravierendes Problem bei der Sache. Wenn er aufflog, würden ihn die Iraner foltern, und auch wenn Amnesty International etwas anderes behauptete: Folter funktionierte. Der Betreffende mochte ein noch so harter Kerl sein – ein geschultes Verhörteam bekam am Ende doch immer, was es wollte. Shoshan würde tief hinter den feindlichen Linien operieren, und das fast ohne Unterstützung. Es war ein riskantes Manöver, doch Israel hatte kaum eine andere Wahl.
    Shoshan schob seinen Wagen vor sich her und bog um die Ecke des Ganges. Seine Haltung war gebeugt und unterwürfig, doch seine Augen unter den buschigen schwarz-grauen Brauen waren wachsam und überblickten den Korridor vor ihm. Das Signal war gekommen. Fünfzehn Monate hatte er allen hier etwas vorgespielt – doch das würde innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu Ende gehen, so oder so. Shoshan gestattete sich keinen Moment lang, an die Zeit danach zu denken. Allein der Gedanke an die Rückkehr in sein geliebtes Israel hätte ihn dazu verleiten können, diese riesige Gruft auf der Stelle zu verlassen und seine Mission hinzuschmeißen. Doch das war so knapp vor dem Ziel undenkbar. Er musste die Sache bis zu ihrem blutigen Ende durchziehen. Auch wenn das sein eigenes blutiges Ende bedeuten würde.
    Vor ihm auf der linken Seite ging eine Tür auf, und zwei Männer traten heraus. Shoshan sah zuerst den einen Mann an, dann den anderen. Den Mann links erkannte er sofort. Er leitete das Ministerium für Geheimdienst und Sicherheit. Sein Name war Azad Ashani. Der Mann rechts neben ihm war ein Geist. Jemand, hinter dem er seit fast einem Vierteljahrhundert her war. Ein Mann, der mit seiner Bande von Terroristen Tausende Israelis getötet hatte. Shoshan hielt seinen Wagen mit beiden Händen fest, während er erst einmal den Schock verarbeitete. Konnte ihm wirklich ein solches Glück beschieden sein? Shoshan zwang sich zur Ruhe und sah noch einmal zu dem Mann auf. Er musterte die Augenhöhlen und die Stirn – zwei Merkmale, die sich fast unmöglich verändern ließen. Er war es wirklich. In Shoshans Kopf begann sich alles zu drehen angesichts des bizarren Geschenks, das ihm hier zuteil wurde. Er hatte Imad Mukhtar über drei Kontinente gejagt und war ihm nur zweimal wirklich nahe gekommen – und jetzt standen sie sich unvermittelt gegenüber, in dem feuchten Gang einer iranischen Atomanlage, und das noch dazu an genau dem Tag, an dem sie zerstört werden sollte.
    »Ihre Sicherheitsvorkehrungen haben mich bisher nicht überzeugt«, sagte der Mann auf der rechten Seite in Farsi.
    Shoshan verlangsamte seine Schritte noch mehr, sodass er kaum noch vom Fleck kam. Ali Farahani, der Sicherheitschef der Anlage, schloss sich den beiden Männern an und stellte sich Shoshan in den Weg. Shoshan schob seinen Wagen zur Wand und nahm die passivste Haltung an, die er zustande brachte, was nicht einfach war, wenn man bedachte, dass jede
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