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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman
Autoren: Haymon
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entgegen, die ihm schon ans Herz gewachsen waren. War der eine für die in Eden, der andere für die in Koben wohnenden Christen? Konnten sie, je nach seelischer Verfassung und Einschätzung des eigenen Reinheitsgrades, in die Kirche zu Eden oder, an schlechteren Tagen, in die zu Koben gehen? Die Straßen, die Häuser, der SBK -Supermarkt, die Avis-Tankstelle, der Schlecker waren ihm so vertraut, als wohnte er schon lange hier, und als er am geschlossenen Papiergeschäft Nöser vorbeiging, fehlten ihm fast ein wenig die Mutter und ihr glatzköpfiger Sohn. Und nirgends eine letzte Spiegelung von der Frau mit dem schönsten Gang der Welt.

11
    Der nächste Tag begann mit dem Dröhnen, Sirren, Rauschen und Krachen zweier Jagdbomber, die im Tiefflug über Edenkoben ihre Manöverkurven zogen. In den Stilleminuten meinte Herr Faustini fernes Kanonendonnern zu hören, wahrscheinlich von einem Truppenübungsplatz. Die amerikanische Militärbasis Ramstein lag jenseits des Pfälzer Walds. Dorthin brachten schwere graue Transportmaschinen verwundete amerikanische Soldaten aus dem Irak. Das teilte ihm das Frühstücksfernsehen im Gästehaus Eden mit. Kaum lief der Bildschirm, musste Herr Faustini hinsehen, obgleich er wusste, dass nichts Gutes dabei herauskam.
    Auf der Straße fiel Herrn Faustini auf, dass nicht wenige Frauen in Edenkoben ein Parfum verwendeten, das so sehr in seiner Nase juckte, dass er eine Ahnung davon bekam, wie es sein musste, eine ungeliebte und mit Pestiziden verfolgte Fliege zu sein. Herr Faustini betrat das Papiergeschäft Nöser, um eine Postkarte auszuwählen. Mutter und Sohn waren vollzählig angetreten. Herrn Faustinis Rückkehr schien für sie kein nachhaltiges Ereignis zu sein.
    Zwar konnte er nicht dem Kater schreiben, aber Frau Gigele, seiner Nachbarin. Die würde dem Kater die Grüße bestellen, und schließlich wäre eine Postkarte eine nette Geste, und ein Lebenszeichen obendrein. Er suchte unter den wenig vorteilhaften Karten die aus, die ihm am ehesten Edenkoben gerecht zu werden schien. Sie zeigte neben den beiden Kirchtürmen eine malerische Straße der Altstadt mit einer Weinschenke sowie die Statue des Königs Ludwig I. auf dem Marktplatz.
    Liebe Frau Gigele , begann Herr Faustini zu schreiben. Sie werden sich wundern, wofür eine kleine Stadt wie Edenkoben zwei Kirchtürme braucht. Nun, ich wundere mich auch. Das Städtchen muss wohl einmal mehr dargestellt haben, als es heute tut. Immerhin war hier die Sommerresidenz des Königs Ludwig I. Für ihn wurde eigens eine Eisenbahnlinie hierher gelegt, von der ich auch schon profitieren durfte.
    Herr Faustini wollte noch weit ausholen und von den vielen Dingen berichten, die es hier zu sehen gab, aber die Postkarte war voll.
    In die unterste Ecke schrieb er:
    Liebe Grüße für Sie und den Kater. Sie hören bald wieder von mir
    Ihr Faustini.
    Er ging zum Postschalter und legte seine Karte vor.
    Nach Öschtrreich, sagte die Postfrau, die an diesem Tag einen rosaroten Pullover trug, der ihr etwas mehr Milde verlieh als die Stretchbluse. Ihre Mundwinkel hingen noch nicht, es war ja noch recht früh am Tag. Sie zeigte auch keinerlei Zeichen der Ungeduld, denn hinter Herrn Faustini wartete niemand, ja, sie schenkte ihm sogar einen winzigen, aber direkt an ihn adressierten Blick, den er überrascht zur Kenntnis nahm. Edenkoben hatte sich während seiner Abwesenheit verändert. Man musste sich nur rarmachen, alles Übrige kam von selbst.
    Hinter dem Lottoapparat stand Mutter Nöser mit leicht traurigem Mund. Vor ihr stand breitbeinig ein junger Mann im dunkelblauen Anzug, die Hände in den Hosentaschen. Er wirkte, als käme er gerade aus dem Bräunungsstudio.
    Haben Sie in letzter Zeit was Größeres verkauft?, wollte er von der alten Frau Nöser wissen.
    Verkauft? Was Größeres?, grummelte sie in sich hinein. Najo, en Fernsäherr halt für tausseddreihundert.
    Aha, meinte der Anzugträger und lockerte seine Beinstellung, also eine veränderte Umsatzsituation.
    Häh?, meinte die alte Dame nun, was soll dät eischentli?
    Herr Faustini verzichtete auf den Kauf einer Zeitung ebenso wie auf den einer Schreibware. Er verließ das Geschäft, aus dem die Bräune des jungen Anzugträgers herausglänzte.
    Am Straßenrand kündigte ein Plakat den Gospelchor Lingenfeld mit Band an. An diesem Abend war er leider schon anderweitig ausgebucht.
    Am Schlüsselbund des Gästehauses Eden hingen zwei vollkommen identische übergroße Schlüssel, die aussahen wie aus
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