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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman
Autoren: Haymon
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Faustini jetzt. Einer von beiden musste ausziehen. Herr Faustini entschied, dass er in dieser Nacht für einen Umzug zu müde war. Er stieg aus dem Bett, schloss das Fenster, um keine Mücken anzulocken, und machte das Licht an. Augenblicklich war Stille. Die Fliege war unsichtbar. Hatte sich in irgendeiner Vorhangfalte verkrochen. Er rollte die Rheinpfalzzeitung von vor einer Woche zusammen und ging auf die Pirsch. Wenn er die Sache erfolgreich zu einem Ende brächte, stünde nichts mehr zwischen ihm und einem erholsamen Schlaf. Freilich wollte er das Wasserflugzeugtier nach seiner langen Reise um die Welt nicht einfach totschlagen. Was würde sonst auch mit den vielen Bildern geschehen? Er würde das Tier fangen und dann höflich vor das Fenster setzen.

5
    Müde stand Herr Faustini am nächsten Morgen im Supermarkt. Die Jagd auf die Fliege hatte seinen Schlaf erheblich behindert. Wer war eigentlich für die Beleuchtung der Supermärkte zuständig? Mit den Verantwortlichen hätte Herr Faustini sich gerne unterhalten. Freilich gab es keinen Quadratmillimeter in einem Supermarkt, der nicht betriebspsychologisch durchleuchtet und erforscht war. Er blinzelte lange Augenblicke aus schmalen Augen auf die Wand aus Spülmitteln, deren Namen ebenso wie ihre scharfen Gerüche ungehindert durch ihn hindurchwehten. In seiner gegenwärtigen Verfassung war er leichte Beute. Je schwächer der Mensch, desto stärker die Dinge. Auch die scheinbar leblosen Dinge im Supermarkt bargen ihre Art von Leben. Sie verwendeten ihre ganze Kraft darauf, den Leuten zu gefallen, die ihre Einkaufswagen müde durch die Regale schoben. Um ihr Ziel zu erreichen, griffen sie manchmal auch zu drastischen Mitteln. Zum Beispiel stießen sie einen ihrer Kollegen aus dem Regal. Ein freundlicher Mensch näherte sich, der annahm, er hätte die Ware versehentlich gestreift, und sich nun bemühte, den Schaden wieder gutzumachen. In diesem Moment legten sich die Spülmittel und Reinigungstabletten, die Scheuerpulver und Bratfettentferner heftig ins Zeug, leuchteten schöner als je zuvor, rochen wie der Teufel selbst, und der naive Mann vor dem Regal konnte nicht anders als zugreifen. Besonders bei Männern hatten die Putzteufel leichtes Spiel, denn Frauen verglichen die Preise und waren nicht so leicht hereinzulegen. Herr Faustini spürte den Sog der Spülmittel, die ihm leichte Übelkeit bescherten. Er würde den Besuch im Supermarkt kurz gestalten, womit er seinem Einkaufswagen folgte, der ihn in die Lebensmittelabteilung zog.
    Vor einer Gefriertruhe stand ein rotes Jäckchen, aus dem der gebeugte Nacken eines kleinen Mannes lugte. Mit einem Blick war erkennbar, dass dieser Mensch trotz eindrucksvoller, viel zu kleiner Jacke vor der Gefriertruhe verloren war. Er hielt den gebeugten Nacken steif, nur die Augen schienen zu wandern. Auf der Schulterklappe seines Jäckchens sah Herr Faustini eine fette Fliege. Er näherte sich und wollte das freche Tier schon mit Kennergriff fangen, als er sich besann.
    Entschuldigen Sie, sagte Herr Faustini, es ist nicht meine Art, Menschen beim Einkaufen zu stören. Aber Sie haben diese Fliege auf Ihrer Schulter. Und weil ich letzte Nacht wegen einer Fliege kein Auge zugemacht habe, da wollte ich es Ihnen mitteilen, dass Sie eben auf der Schulter ..., aber vielleicht ist das ja nicht so wichtig.
    Langsam wie ein Gespenst drehte sich der Mann zu ihm um.
    Sehen Sie hier etwas Essbares?, fragte er. Sehen Sie hier irgendetwas, was ich essen könnte?
    Herrn Faustini fröstelte im Kältestrom der Gefriertruhe. Er warf einen Blick über deren Kante und sah Undefinierbares in Plastik verschweißt. Nur weil sich eine große Anzahl von Menschen darauf geeinigt hatte, in der toten Tiefkühlware Essbares zu erkennen, musste man es ihnen noch längst nicht gleichtun. Der Mann im Jäckchen stand als Fragezeichen vor der Truhe. Es schien, als könne er sich nicht von ihr lösen. Der weiße Kältenebel glitt über den Truhenrand und sank wie Flüssiggas zu Boden, wo er weiterkroch, um sich unter dem nächsten Regal zu verstecken. Wenigstens war die Fliege von der Schulter des Mannes verschwunden. Es war ihr wohl zu kalt geworden, und nun lauerte sie ein paar Regale weiter, um sich wieder auf demjenigen niederzulassen, der am wenigsten Gegenwehr zeigte. Herr Faustini fühlte sich dem Mann im roten Jäckchen aus irgendeinem Grund verpflichtet. Er konnte doch nicht zulassen, dass er nahrungslos blieb. Sie befanden sich in einem Supermarkt, dem
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