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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman
Autoren: Haymon
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Entspannung frei Haus! Rufen Sie uns an – wir kommen zu Ihnen! Außerdem gab es einen offenen Gesprächskreis der Initiative KISS Pfalz e. V. zur Trichotillomanie, wobei in Klammern stand: (Zwang, sich die Haare auszureißen).
    Wir sollten jetzt gehen, meinte Herr Faustini. Haben Sie etwas Essbares gefunden? Der Mann im Jäckchen nickte, öffnete sein Glas Sesammus, tauchte den Finger hinein und leckte die hellbraune Creme ab.
    Vor dem Bioladen sagte Herr Faustini: Faustini, und reichte dem Mann im Jäckchen seine Hand. Der schluckte sein Sesammus und reichte Herrn Faustini höflich die linke Hand, denn die hatte er nicht in das Mus getaucht: Emil, sagte er, und er wiederholte: Emil, wie um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.
    Ein Mann im Trenchcoat mit ungleichen Schultern kam in Begleitung einer Frau mit entschiedenem Blick vorbei. In den Augen der Frau zuckte ein kleiner Blitz, als kenne sie ihn von irgendwoher. An dem Paar war etwas, was Herrn Faustinis Blick anzog. Er hatte die beiden noch nie gesehen, und doch kamen sie ihm vertraut vor.
    Heutzutage heißt kein Mensch Emil, sagte Emil, ich weiß. Ich kenne das nur zu gut, dass man mir verständnisvoll zunickt. Sie nicken ja gar nicht! Was kann man machen, wenn der Name des Großvaters in Ehren gehalten werden soll? Ich heiße Emil. Daran ist nicht zu rütteln. Wie kann man den Namen Emil umformen zu einem Namen, der in diese Welt passt? Emilchen? Emilio? Emaus? Emanuel? Oder einfach E?
    Und Emil erzählte. In der Schule riefen sie mich Emilchen oder Emiliotto oder Emilie. Seitdem zwinkere ich, wenn ich jemandem in die Augen sehen muss. Haben Sie es bemerkt? Seit einiger Zeit zwinkere ich, auch wenn ich niemandem in die Augen sehen muss.
    Nur wenn er von den Zügen redet, dann zwinkert Emil nicht. Emil hat nämlich entdeckt, dass auf nichts so sehr Verlass ist wie auf die Züge. Während andere eine Zeitung lesen oder den Roman Dornenvögel , studiert Emil das Kursbuch. Er ist Student der Zugwissenschaften. Mit besonderer Berücksichtigung der Kleinbahnen. Er kennt nicht nur alle Züge namentlich, ihre Abfahrts- und Ankunftszeiten. Er führt Gespräche mit Lokführern, mit Fahrdienstleitern, mit Streckenläufern (die in die Frühpension entlassen wurden, da zu einem modernen Bahnunternehmen ein altmodischer Beruf wie dieser nicht passt). Für Emil ist das Zugwesen ein Körper, den es zu erforschen gilt. Mit geschlossenen Augen erkennt er die verschiedenen Loktypen, wenn sie vorbeirotteln, -tuckern, -stampfen, -zischen. Emil verbringt viel Zeit auf Bahnhöfen. Er schnuppert die Luft der Wartehallen, der Bahnsteige. Er ist selig, wenn ein ratloser Reisender in ihm auf den ersten Blick denjenigen erkennt, den es nach der schnellsten Verbindung nach Soundso zu fragen gilt. Emil braucht keinen Blick ins Kursbuch zu werfen. Er kennt die Verbindung, ja, er sieht es dem Reisenden schon an, nach welcher Verbindung er ihn fragen wird. Er lässt ihn wissen, dass dies zwar die schnellste, keineswegs aber die schönste Verbindung sei. Denn das Bahnfahren ist ja eigentlich vor allem ein schönes Reisen, erklärt er dann. Wer möglichst schnell vorankommen will, der besteigt ein Flugzeug, rauscht in einer Lärmkiste davon. Bahnfahren ist Dienst an der Schönheit, meint Emil, aber der Reisende ist meist in Eile, er nickt nur, runzelt die Stirn und eilt zu seinem Bahnsteig. Einer hat dann aber doch einmal nachgefragt. Was meinen Sie damit?, hat er gefragt. Als Emil davon erzählte, huschte Glück über sein Gesicht. Was ich damit meine, hatte er strahlend und ganz ohne zu zwinkern gesagt. Nun sehen Sie, wenn Sie mit der Bahn auf einer schönen Nebenstrecke fahren, oder vielmehr bummeln, dann öffnet sich Ihnen die Welt auf eine neue, nie gekannte Art. Sie werden sehen, von einer solchen Bahnreise kommen Sie als ein anderer Mensch zurück. Es muss nicht gleich der Darjeeling Express ins indische Teeland sein, der zwar nicht den höchsten Eisenbahnpunkt der Welt erreicht, denn der liegt auf dem Tanggula-Pass in Tibet auf 5.068 Metern Höhe. Es kann eine klitzekleine Nebeneisenbahn sein, wie zum Beispiel die Rigi-Bahn mit dem stehenden Kessel von 1873 hinauf zur Bergstation Klösterle, oder das Wälderbähnle im Bregenzerwald.
    Sie kennen das Wälderbähnle?, fragte Herr Faustini nun ganz wach.
    Welcher Bahnspezialist kennt das Wälderbähnle nicht, antwortete Emil trocken und fast ein bisschen beleidigt. Das gehört zum ABC des Kleinbahnwesens. Leider fährt das
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