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Immer dieser Knasterbax

Immer dieser Knasterbax

Titel: Immer dieser Knasterbax
Autoren: Werner Schrader
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    Der Räuber Knasterbax hatte
einen Doppelgänger. Der war ihm so ähnlich, als wäre er sein Zwillingsbruder.
Seine Haare waren genauso schwarz, seine Augen genauso braun, und seine Nase
hatte den gleichen kühnen Bogen. Dabei war der Mann überhaupt nicht mit ihm
verwandt, nicht mal ganz weitläufig. Er hatte weder denselben Urgroßvater noch
dieselbe Urgroßmutter. Im Gegenteil! Er war ihm so fremd wie ein Wolf einem
Schaf. Auch innerlich! Er verdiente sein Geld nämlich als Polizist und hieß
Siebenschütz.
    Knasterbax verdiente kein Geld.
Was sollte er damit? Geld konnte man nicht essen. Auch seine Stube konnte man
nicht damit heizen. Besonders dann nicht, wenn man überhaupt keine besaß.
Knasterbax schlief mal in einem trockenen Graben, mal in einem Heuschober und
mal in einer Scheune, und er wohnte nirgends. Oder immer gerade dort, wo der
Polizist Siebenschütz nicht war. Er stahl nie mehr, als er für eine Mahlzeit
brauchte. Das war sein Trick, denn so hatte er immer die Hände frei und mußte
nichts mit sich herumschleppen.
    Vor vielen Jahren war er durch
ein Riesenfeuer und eine gewaltige Schießerei aus dem Hause seiner Eltern
vertrieben worden. Er rannte um sein Leben und versteckte sich in Büschen und
Hecken. Dabei bekam sein Anzug Löcher und Risse, und der Bart wuchs ihm
stoppelig im Gesicht. Als er endlich zur Ruhe kam, merkte er, daß er zu weit
gelaufen war. Bis in ein fremdes Land. Er konnte nämlich die Sprache der Leute
nicht mehr verstehen. Sie sahen ihn an, zuckten die Schultern und gingen ihm
vorsichtig aus dem Weg, weil er so räuberhaft aussah. Er versuchte immer
wieder, mit ihnen zu sprechen. Aber sie hatten Angst vor ihm. Keiner gab ihm
einen neuen Anzug und keiner ein Stück Brot. Da blieb ihm nichts anderes übrig,
als weiterzuziehen und sich sein Essen zu stehlen.
    Seitdem war Knasterbax ein
Räuber.

    Er vergaß, wie seine Eltern
gesprochen hatten, und lernte die Sprache seiner neuen Heimat. Aber nicht
richtig. Dafür hätte er Bücher und einen Lehrer gebraucht. So reichte es gerade
für den Broterwerb. Und der wurde ihm von dem Polizisten Siebenschütz schwer
genug gemacht! In seiner grünen Uniform verfolgte der Mann ihn Tag und Nacht
und gönnte ihm selbst Ostern und Pfingsten keine Ruhe.
    Aber Knasterbax war auf der
Hut. So leicht ließ er sich nicht fangen.
    Als die beiden einander zum
erstenmal gegenüberstanden, glaubte jeder von ihnen, in einen Spiegel zu
gucken. So ähnlich fanden sie sich! Nur ihre Schnurrbärte trugen sie anders.
Während der Polizist die Schnurrbartenden kühn nach oben gezwirbelt trug, daß
sie wie zwei Antennen vor seinen Backen standen, wiesen sie bei dem Räuber nach
unten und spreizten sich wie Brückenpfeiler neben seinem stoppeligen Kinn.

    Heute nacht hatte Knasterbax in
einer alten Scheune geschlafen. Nun wischte er sich mit der Hand das Stroh aus
dem Gesicht und setzte sich hin.
    „Friert sich mein linkes Zeh
ganz jämmerlich“, brummte er. „Wieso kommt das?“ Er faßte mit der Hand in das
ausgefranste Hosenbein und zog den Fuß zu sich heran.
    „Ah, liegt sich an großes Loch,
was ist in die Strumpf!“ rief er beim Anblick seiner zerschlissenen
Fußbekleidung erleichtert aus. „Und ich dachte schon, es ist wieder
Rheumatismus!“
    Sein großer Zeh hatte sich
durch den grünen Wollstrumpf gearbeitet und war kalt wie ein Eiszapfen.
    „Du armes Kreatur“, sagte
Knasterbax mitleidig, „stehst draußen und frierst. Marsch zurück in die
Strumpf!“ Dabei zog er die Reste des Strumpfes über den nackten Zeh. Aber der
schnellte sofort wieder durch das Loch, als sei jemand hinter ihm her. Da wurde
Knasterbax wütend.
    „So ein großes Kerl und noch so
dumm!“ schimpfte er. „Draußen kalt, drinnen warm, verstehn?“ Aber der Zeh
verstand nicht. Er blieb im Freien und fror weiter.
    „Ah, du willst mir tanzen auf
dem Nase?“ sagte Knasterbax listig. „Da hast du gemacht böses Spiel ohne kluges
Räuber Knasterbax. Frier doch, bis du sein blau und grün! Ich geh jetzt essen.“
    Nach diesen Worten stand er
auf, strich ein paar Strohhalme von Jacke und Hose und sah sich suchend nach
seinen Schuhen um. Den linken entdeckte er an einem Nagel im Dachbalken, der
rechte aber war nicht zu finden. Er durchwühlte den ganzen Strohberg, aber der
Schuh blieb verschwunden.
    „Liebes Schuh“, flehte
Knasterbax, „das nächste Winter kommt bestimmt. Kannst mir doch nicht lassen
auf Strümpfe gehn!“
    Da hatte der Schuh ein Einsehen
und fiel ihm
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