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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman
Autoren: Haymon
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kalte Torte. Ich bekomme Halsweh von kalter Torte.
    Die Wirtin warf Herrn Faustini einen bedeutungsvollen Blick zu, bevor sie in die Küche ging.
    Zwei Minuten später kam sie mit der flüssigen Käse-Sahne-Torte. Den Pflaumenkuchen servierte sie in normaler Kuchengestalt. Emil befeuchtete sich die Lippen und putzte die Flüssigtorte weg.
    Das Gästehaus Eden auf dem Marktplatz machte von außen einen netten Eindruck. Herr Faustini beschloss, sein Zimmer in der Pension Elster gegen eins im Eden zu tauschen. So würde er auch die Fliege überlisten, die dort in der Elster auf ihn wartete. Herr Faustini machte sich auf den Weg dorthin. Emil folgte ihm. Die graue Wirtin sah kurz auf, als Herr Faustini in Begleitung von Emil die Pension betrat. Die beiden stiegen durch eine Wand aus kaltem Rauch in den ersten Stock hinauf. Herrn Faustinis Sachen waren mit zwei Handgriffen im Koffer verstaut. Ein letzter Blick hinaus auf den Weinberg, den Herr Faustini mit Emil teilte. Wortlos legte ihm die Wirtin an der Theke im unteren Stock die Rechnung vor, die Herr Faustini ebenso wortlos beglich. Er verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken, Emil versuchte es ihm gleichzutun, doch sein Nicken geriet mehr nach Art einer Holzpuppe.
    Herr Faustini schritt in Emils Begleitung dem Gästehaus Eden entgegen. Er fragte nach einem Zimmer, worauf die Wirtin ihm bedeutete mitzukommen. Sie stieg die Treppe ins obere Stockwerk hinauf. Herr Faustini folgte ihr, und Emil folgte Herrn Faustini. Herr Faustini bezog sein Zimmer. Emil folgte ihm und bezog ebenfalls Herrn Faustinis Zimmer.
    Nach Mitternacht lag Herr Faustini wach, denn Emil leistete Schwerarbeit beim Zersägen des Gästehauses. Zwischendurch verstummte er, rief nach seiner Mutter und grunzte ein wenig.
    Am nächsten Morgen sang Emil fröhlich im Bad. Er wirkte aufgeräumt und tatendurstig. Herr Faustini war blass und müde. Vom Marktplatz hallte das Gehämmer vom Aufbauen eines Festzelts.
    Zum Frühstück verdrückte Emil einen Korb voll Brot, dazu Käse, Wurst und Marmelade. Er pfiff fröhlich vor sich hin, während er die Brötchen aufschnitt. Herr Faustini knabberte lustlos an seinem matschigen Brötchen. Er vermisste seinen Kater.
    Auf dem Marktplatz sah es nach Volksfest aus, als Herr Faustini und Emil das Gästehaus Eden verließen. Die Straße war voll von Radfahrern im Dress der verschiedenen Tour-de-France-Rennställe. Hie und da spannten die engen Rennleibchen über gut gewölbten Bäuchen. Die Gesichtsfarbe war allgemein rot. Die ganze Südliche Weinstraße bis hinunter zur französischen Grenze blieb an diesem Tag für den Autoverkehr gesperrt. Es war der Tag der Radfahrer, die in alter Tradition von einer Weinschenke zur nächsten radelten. Herrn Faustini schien schon jetzt, dass dieser Tag ohne Zweifel der Tag der besoffenen Radfahrer werden würde.
    Am Straßenrand waren Marktbuden aufgebaut, an denen überteuerte Plastikware angeboten wurde. Emil blies hier in eine Tröte, drehte dort an einer Plastikkurbel, drückte ein Quietschtier, dass es quietschte. Am Ende der Straße gab es einen Stand mit Obst und Gemüse, hinter dem eine wettergegerbte Frau stand. Herr Faustini und Emil besahen sich die Ware, als sie von einer festen Hand zur Seite geschoben wurden. Eine alte Frau murmelte etwas Unverständliches, drängte sich nach vorn und kaufte einen großen Sack voll Gemüse. Sie ließ sich Zeit, fragte nach, wie diese und jene Obstsorte wachse, wann der Kohl am besten geerntet werde. Von einem Haufen Karotten ließ sie die wettergegerbte Frau eine einzelne weggeben, damit die Einwaage genau stimmte. Herr Faustini und Emil standen da wie kleine Buben, während die Alte die Alleinherrscherin über den Gemüsestand war.
    Nachdem die Frau endlich gegangen war – wobei sie Herrn Faustini und Emil wieder beiseiteschob – und die beiden je einen Apfel und ein paar Trauben gekauft hatten, drängten sich die Radfahrer mit den roten Köpfen so dicht auf der Straße, dass kein Durchkommen mehr war.
    Herrn Faustini fiel ein, dass er vor kurzem gelesen hatte, dass der Mensch in der Geschichte des Lebens ein unvollkommenes, weil viel zu junges Wesen sei. Vor etwa vier Milliarden Jahren sei aus den auf Erden vorhandenen molekularen Bausteinen der erste Organismus entstanden, der Urahn allen Lebens, genannt „Luca“. Wie, sei umstritten. Fest stehe jedoch, dass durch „Luca“ die Fähigkeit zur Replikation der Erbinformation einsetzte. Und weil bei der Replikation immer
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