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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: J. M. Sampson
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Selbstvertrauen der Nächtlichen Emily. Obwohl ein bisschen was davon auf meine Tagsüber-Persönlichkeit übergegangen war, war das nichts im Vergleich zu der zügellosen Furchtlosigkeit der Nächtlichen Emily. Eine Verwandlung konnte ich jedoch nicht riskieren. Stimmt’s? Nicht, nachdem die Folgen beim letzten Mal so schrecklich gewesen waren. Ich hatte mitgeholfen, jemanden zu töten, und es hatte mir gefallen. Es war Notwehr gewesen, klar, doch trotzdem hatte ich jedes Mal, wenn ich mich daran erinnerte, diese abscheulichen Schuldgefühle.
    Folgen? Schuldgefühle? Er hat bekommen, was er verdient hat. Wir haben getan, was getan werden musste.
    » Ich weiß«, sagte ich laut. » Nur … Ja, ich weiß.« Ich wartete einen Moment lang. Die Stimme – meine mit mir durchgehende Vorstellungskraft, die Nächtliche Emily selbst oder wer weiß wer – sagte nichts mehr. Die Hände in den Hosentaschen wiegte ich mich ein bisschen hin und her und starrte in den bedeckten, herbstlichen Morgenhimmel. Meine Gedanken rasten, wie sie das in den letzten Tagen morgens immer getan hatten. Dinge, von denen ich angenommen hatte, dass sie unmöglich wahr sein konnten, waren es nun doch. Alles, was ich für die Wahrheit über mich selbst gehalten hatte, war bestenfalls nur teilweise wahr gewesen. Und obwohl ich mein Bestes tat, um mich mit Hausaufgaben, Fernsehen und Diskussionen mit Spencer abzulenken – sobald ich mit meinen Gedanken alleine war, sah ich immer noch, wie der Mann von BioZenith, Dr. Elliott, hinter mir herjagte. Ich schloss die Augen. Ich brauchte eine neue Ablenkung, jemanden, den ich anrufen konnte vielleicht. Da fiel mir ein – Megan war auf dem Weg, um mich abzuholen. Sie hatte mich immer abgeholt, zumindest noch bis vor Kurzem. Und ich hatte ihr nicht gesagt, dass ich heute andere Pläne hatte. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, drückte auf die Kontaktliste und wählte REEDY – mein Spitzname für sie. Das Handy klingelte, einmal, zweimal, dann ging sie ran.
    » Hey, ich bin nicht zu spät dran, also was gibt’s?«, sagte sie.
    » Dir auch einen guten Morgen«, erwiderte ich.
    » Mhm, ja. Guten Morgen.« Ein Knirschen, als hätte sie am anderen Ende der Leitung in etwas hineingebissen. » Ich esse noch«, sagte sie mit vollem Mund, » dann mache ich mich auf den Weg.«
    Ich fummelte mit den Fingern meiner freien Hand an einem der Rucksackgurte herum. » Genau deshalb rufe ich an. Ich brauche heute keine Mitfahrgelegenheit.« Abgesehen von dem Knirschen, mit dem sie fertig aß, herrschte am anderen Ende der Leitung Funkstille. Ich räusperte mich und sagte: » Also, lass dir Zeit mit dem Frühstück. Hey, freie Zeit.«
    » Gehst du zu Fuß?«, fragte sie schließlich. » Oder wirst du von jemandem abgeholt?«
    » Ich werde von jemandem abgeholt. Von Spencer.« Ich hörte, wie Megan schnaubte.
    » Na schön. Spar ich mir das Benzin. Wir sehen uns in der Schule.«
    Bevor ich antworten konnte, hatte sie bereits aufgelegt. Ich hatte gehofft, dass wir auf magische Weise über Megans Eifersucht, was mich und Spencer anging, hinweg waren. Doch hatte seit Montagmorgen eine seltsame Stimmung zwischen uns geherrscht, was wohl verständlich war. Ich konnte ihr dafür keine Vorwürfe machen. Am Wochenende davor hatte ich sie betäubt, ihr Auto gestohlen und sie im Wesentlichen zu Fuß bis nach Seattle latschen lassen, um besagtes Auto zurückzuholen, das ich irgendwie dort gelassen hatte. Na ja, es war die Nächtliche Emily gewesen. Doch hatte ich mich mit Spencer bereits darauf geeinigt, dass, egal wie anders sie auch tickte, die Nächtliche Emily immer noch ein Teil meiner selbst war. Ich konnte die gesamte Schuld nicht einfach auf Dr. Jekylls Mr. Hyde schieben. Dann hatte ich mich in den letzten paar Tagen in der Schule während der Essenszeit und der Freistunden davongemacht, um mich mit Spencer zu treffen und über alles zu sprechen, was uns gerade widerfuhr. Megan wusste, dass ich ihr etwas verheimlichte. Es war unmöglich, dass sie das nicht mitbekommen hatte. Wir hatten einander seit der Grundschule alles erzählt, und ich war wirklich keine begnadete Lügnerin. Ich hasste das. Doch was auch immer mit mir los war, hatte jemanden dazu veranlasst, mich töten zu wollen. Das Letzte, was ich wollte, war, sie in Gefahr zu bringen. Ich verfluchte es, dass dies einen Keil zwischen uns trieb. Während ich mir das Handy wieder in die Tasche schob, schwor ich mir auf der Stelle, mich dazu zu zwingen, Zeit für die
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