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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: J. M. Sampson
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erinnerte ich mich nach dem Aufwachen nicht mehr daran. Ein kleiner Gnadenakt. Ich steckte mir die Schlaftabletten, die in meiner verschwitzten Hand lagen, in den Mund und schluckte den Becher lauwarmes Wasser hinunter. Nein, Nächtliche Emily, ich werde dich nicht rauslassen, weil das zur Verwandlung in den Werwolf führen würde, was … wo auch immer hinführen würde. Ich wollte nicht mehr denken. Oder mich erinnern. Die Tabletten taten ihre Wirkung, und meine Augenlider wurden schwer. Glaubst du, du kannst dich für immer davor verstecken? Glaubst du nicht, dass deine Stiefmutter das Verschwinden ihrer Schlaftabletten früher oder später einmal bemerken wird? Eines Tages wirst du dich der Nacht stellen müssen. Du weißt, dass es so ist. Ich ignorierte die Stimme, obwohl ich wusste, dass sie mehr als recht hatte. Dann schlief ich ein und machte allem ein Ende.
    Plötzlich wurde ich aus einem traumlosen Schlaf gerissen und machte die Augen auf. In meinem Zimmer war es, abgesehen vom Leuchten meines Digitalweckers und dem schwachen Schein der Straßenbeleuchtung, die durch die Vorhänge drang, finster. Eigentlich sollte ich nicht vor dem Morgen aufwachen. Ein kühler Luftzug berührte meine Haut und jagte mir einen Schauer über die Arme. Mein Herz raste, so als wüsste mein Körper etwas, was mein schläfriges Gehirn nicht wissen wollte. Ich wurde beobachtet. Ich zog mir die Decke bis zum Kinn und klammerte mich an meinen Plüschhund Snoopy, während ich mich im Zimmer umsah. Alles, was nicht im Dunkeln verborgen lag, war in Grautöne gehüllt. Im Zimmer war alles still und ruhig. Irgendwo draußen auf der Straße war die Alarmanlage eines Autos losgegangen. Ich erwartete beinahe, dass die untote Ausgabe von Dr. Gunther Elliott vor mir auftauchte, um sich für seine Ermordung zu rächen. Doch es war niemand hier. Das musste PTBS sein, eine posttraumatische Belastungsstörung. Ein Rest von Angst aus jener Nacht, die so lange zurückzuliegen schien, obwohl es sich gleichzeitig so anfühlte, als wären seither erst wenige Minuten vergangen. Trotz meiner Selbstversicherungen zitterten mir die Hände, und mein Puls raste. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich so im Bett lag und meine Blicke zwischen dem Schrank, der Tür und dem Fenster umherschossen. Mein Verstand sagte mir, ich solle mich beruhigen, aber mein Körper gehorchte nicht. Dann nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Meine Blicke jagten in Richtung Fenster und blieben schließlich an einer Gestalt hängen, die sich am Ende meines Betts befand und Größe und Form eines erwachsenen Mannes hatte. Diese Gestalt bestand jedoch aus einem schwarzen Nebelschleier, der zu einem gesichtslosen, dreidimensionalen Schatten erstarrt war und absolut still und ruhig verharrte. Mein Herz schlug schneller und hämmerte wie der Rhythmus eines Discohits, der alles übertönte. Ich schluckte und versuchte, mich selbst davon zu überzeugen, dass ich nicht sah, was ich zu sehen glaubte. Weil ich dieses Ding schon einmal gesehen hatte, beziehungsweise etwas, das genauso aussah. Zuvor war es lediglich erschienen, als ich eine Wölfin war. Jetzt war ich keine Wölfin. Und doch war es da. Dahinter konnte ich mein DVD -Regal und meinen Fernseher genau erkennen, und doch war es mehr als ein Schatten. Das wusste ich, das fühlte ich. Es war nicht der Tote. Es war etwas Schlimmeres. Ich wimmerte, als ich von einer Urangst, die mich zuvor lediglich als Wölfin ergriffen hatte, gepackt wurde.
    Der Kopf des Schattens neigte sich langsam und systematisch zur Seite. Er beobachtete mich.
    Ich kniff die Augen zu, wollte, dass das Ding verschwand und mich, verdammt noch mal, in Ruhe ließ. Mit der Decke bis zur Nase hochgezogen lag ich, weiß Gott wie lange, da. Als mein Herzschlag endlich nur noch in einem langsamen Walzertakt vor sich hin tänzelte, öffnete ich die Augen.
    Der Schattenmann befand sich über mir. Sein konturloses Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er hob seine Hand und streckte seine langen, schmalen, durchsichtigen Finger in Richtung meines Kopfs.
    Ich formte den Mund zu einem Schrei, doch alles, was ich herausbrachte, war ein erbärmliches, klischeehaftes Horrorfilm-Wimmern. Als ich so dalag, unfähig mich zu bewegen, streiften die kalten Finger des Schattenmanns meine Wange. Es fühlte sich nicht wirklich massiv an, sondern eher, als würde meine nackte Haut zart von feuchtem Nebel berührt. Und doch berührte er mich. Jetzt war nicht
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