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Boys Dont Cry

Boys Dont Cry

Titel: Boys Dont Cry
Autoren: Malorie Blackman
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1 DANTE
    Viel Glück heute. Hoffe, du kriegst, was du willst und brauchst.
    Lächelnd las ich die SMS, die mir meine Freundin Collette geschickt hatte. Aber ich lächelte nicht lange, dazu war ich zu kribbelig. Donnerstag. Bekanntgabe der A-Level-Ergebnisse, der Abschlussnoten! Zugegeben, ich hätte nicht gedacht, dass ich so nervös sein würde. Ich war mir sicher, gut abgeschnitten zu haben. Das heißt, ich war mir fast sicher. Aber eben dieses fast brachte mich schier um. Zwischen dem Einsammeln der Prüfungsunterlagen und der Benotung lagen unzählige Möglichkeiten. Vielleicht hatte derjenige, der meine Arbeit benotete, am selben Tag sein Auto zu Schrott gefahren oder gerade Beziehungsstress – es konnte Gott weiß was passiert sein, das den Prüfer in eine tierisch schlechte Laune versetzt hatte, die er dann an meiner Arbeit ausließ. Verflucht noch mal! Ein kosmischer Strahl konnte meine Arbeit getroffen und sämtliche Antworten verändert haben – und zwar bestimmt nicht zum Besseren.
    »Sei kein Idiot – du hast bestanden«, sagte ich mir.
    Es war ganz einfach. Ich musste bestehen. Eine Alternative gab es nicht.
    Gute Zensuren in vier Fächern brauchte ich, nicht mehr und nicht weniger. Damit konnte ich zur Uni gehen. Auf und davon, bloß weg von hier. Und auch noch ein Jahr früher als alle meine Freunde.
    Du hast bestanden …
    Denk positiv! Ich versuchte, von irgendwo ganz tief in meinem Innern Zuversicht zu schöpfen. Dann fühlte ich mich noch idiotischer und hörte wieder auf damit. Aber es war eben doch so, wie Dad immer sagte: »Die Versuchung lauert an jeder Ecke, aber manche Gelegenheit bietet sich nur einmal.« Und ich wusste nur allzu gut, dass die Abschlussergebnisse meine Chance waren, nicht nur durchzustarten, sondern abzuheben und zu fliegen . Dad hatte haufenweise solche Glückskeks-Sprüche auf Lager. Seine »Lebensweisheiten«, wie er sie nannte, waren lauter langweilige Moralsätze, die mein Bruder Adam und ich uns schon tausendmal hatten anhören müssen. Aber wann immer wir uns bemühten, Dad das begreiflich zu machen, entgegnete er: »Ich habe alle Chancen, die mir das Leben bot, vertan. Und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass meine Söhne es ebenso machen.« Mit anderen Worten, Pech gehabt!
    Dante, hör auf, dir Sorgen zu machen. Du hast bestanden …
    Das Studium war ja nur Mittel zum Zweck. Klar freute ich mich auf die Uni, darauf, neue Leute kennenzulernen, neue Dinge zu erfahren, woanders zu wohnen und völlig unabhängig zu sein. Aber ich dachte viel weiter. Sobald ich einen anständigen Job hatte, würde sich alles ändern – oder zumindest, sobald ich mein Studiendarlehen zurückbezahlt hatte. Hauptsache, meine Familie musste nicht mehr jeden Penny zusammenkratzen. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal im Ausland in Urlaub waren.
    Mit drei ungeduldigen Schritten war ich am Wohnzimmerfenster. Schob den schmutzig grauen, an ein Spitzendeckchen erinnernden Vorhang zur Seite, starrte die Straße auf und ab. An diesem Augustmorgen strahlte die Sonne bereits früh warm und hell. Vielleicht war das ein gutes Omen – wenn man an so etwas glaubte. Was ich, ehrlich gesagt, nicht tat.
    Wo zum Teufel blieb der Briefträger?
    Wusste er denn nicht, dass er meine ganze Zukunft in seiner Tasche hatte? Schon komisch, ein einziges Blatt Papier würde über den Rest meines Lebens entscheiden.
    Ich muss die Prüfung bestehen … unbedingt …
    Die Worte geisterten mir im Kopf herum wie ein lästiger Ohrwurm. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mir etwas sehnlicher gewünscht. Vielleicht, weil die Prüfungsergebnisse mein Leben waren . Meine ganze Zukunft hing von einem Stück Papier und den paar Buchstaben der Benotung ab – je weiter vorn im Alphabet, desto besser!
    Ich ließ den Spitzenvorhang zurückfallen und wischte mir die staubigen Hände an der Jeans ab. Warum fühlte sich der Staub an schmuddeligen Gardinen irgendwie klebrig an? Ich nahm sie kritisch unter die Lupe. Wann waren sie das letzte Mal mit Waschlauge in Berührung gekommen? Sie hingen da, seit ich Mum geholfen hatte, sie anzubringen. Wie lange war das her? Ungefähr neun Jahre, so um den Dreh? Immer wenn ich mit Staubsaugen dran war, saugte ich sie mit dem Staubsaugerrohr ab, in der Hoffnung, auf diese Weise einen Teil des Drecks zu entfernen. Aber mittlerweile war das Gewebe zu brüchig dafür. Dad versprach immer wieder, sie zu waschen oder neue zu kaufen, aber
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