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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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der ganz in seiner Arbeit und dem, was ihm von seiner Familie noch geblieben war, aufging. Nur um ihn wieder eifersüchtig zu machen, was nach all den Jahren fast schon zu einem Automatismus geworden war. Aber aus irgendeinem dir unbekannten Grund schien deiner Mutter dieses perverse Spielchen eine gewisse Genugtuung zu verschaffen – denn sie wusste ganz genau, wie sehr er sie immer noch liebte.
    Und so hattest du die letzten siebzehn Jahre deines Lebens allein mit deinem Vater verbracht, hier in Verona, während deine Mutter und deine Schwester, die gleich nach der Trennung nach Genua gezogen waren, dort eine halb mysteriöse Parallelexistenz führten.
    Als dir jetzt klar wurde, dass die beiden erneut Einzug in dein Leben halten würden, wusstest du zunächst nicht, was du davon halten solltest. Die Vorstellung, von Frauen umgeben zu sein, war dir fremd, und dein Vater war bei seinen Liebesbeziehungen, wenn er denn wirklich welche gehabt hatte, immer mehr als diskret gewesen.
    Verständlich, dass du verblüfft warst, als dein Vater an einem Abend wie jedem anderen, während im Hintergrund die Nachrichten liefen und das Elend der Welt bebilderten, ganz nebenbei bemerkte: »Antonella und Selvaggia kehren nach Verona zurück.« Vielleicht erwartete er auch gar keine Antwort, so wie er, wenn er anderer Meinung war und auf einmal ganz kühl und distanziert wurde, keine Widerrede duldete.
    Â»Ja und?«, lautete deine erste, gelangweilte Reaktion. Ehrlich gesagt, war dir das ziemlich egal. Du sahst deine Mutter dermaßen selten, dass es dir so vorkam, als hättest du nie eine gehabt. Und was deine Schwester anging, deine liebe ein- oder zweieiige Zwillingsschwester – genau wusstest du das schon gar nicht mehr … Nun, die kanntest du von Fotos, und die letzten, die du dir ohnehin bloß deinem Vater zuliebe angeschaut hattest, waren mindestens zwei Jahre alt. Nein, vier . Du hast als Kind so selten mit ihr gespielt oder gesprochen, dass es keinen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.
    Â»Nichts und«, war alles, was dein Vater darauf sagte. »Das ist einfach nur eine Tatsache. Deine Mutter wurde nach Verona versetzt. Du weißt ja, wie das bei der Polizei so ist. Sie werden gleich kommen. Bitte entschuldige, dass ich es dir erst jetzt sage. Aber deine Mutter hat bereits eine Wohnung erworben und die in Genua verkauft. Selvaggia und sie richten sie gerade ein.«
    Weißt du noch? Du hast ihm nicht einmal darauf geant wortet, sondern es einfach bloß zur Kenntnis genommen. Schließ lich bedeutete es dir nicht viel, die beiden bald wieder in die Arme schließen zu können. Erst später versuchtest du, deine Bedenken zu zerstreuen – im Schwimmbad beim Rückenschwim men, so wie immer, wenn du in Ruhe nachdenken wolltest. Dass dein Vater vorhatte, deiner Mutter erneut den Hof zu machen, war sonnenklar. Doch das würdest du ihm ganz bestimmt nicht vorwerfen, da sie die einzige Frau war, bei der er auf seine masochistische Weise Glück finden konnte. Von mir aus!, dachtest du. Das dürfte eigentlich kein Problem sein, erst recht nicht wenn ich dafür so etwas wie eine Familie wiederbekomme.
    Und trotzdem wollte der Ansturm wirrer Gedanken angesichts der bevorstehenden Veränderungen einfach kein Ende nehmen. Deshalb hast du dir weiterhin eingeredet, dass dir das ganz egal sein könne, denn was hatte das verdammt noch mal mit dir zu tun? Aber die Gedanken kehrten zurück, besaßen die Unverfrorenheit, immer wieder an dir zu nagen, sodass du erneut versuchen musstest, daraus schlau zu werden. Im Übri gen wäre die Absicht, Gleichgültigkeit vorzuschützen, eine völ lig neue Erfahrung für dich gewesen.
    Im Ernst.
    Nach mehreren Stunden im Schwimmbad bist du nach Hause gekommen und hast deinen Vater beim Telefonieren überrascht. Der schlug sofort einen so förmlichen Ton an, als hättest du ihn in flagranti ertappt. Trotzdem hast du intuitiv gespürt, dass er mit deiner Mutter hoch private Dinge be sprach. Für einen Moment tat es dir leid, ihn – wenn auch unabsichtlich – gestört zu haben, aber als dir wieder bewusst wurde, dass die Dinge bald eine ungewohnte Wendung nehmen würden, musstest du unwillkürlich grinsen und warst angenehm verwirrt.
    Es war schließlich keine Katastrophe, wenn die Eltern beschlossen, sich wieder zu versöhnen: Letztlich war dir jemand, über den du
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