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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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mit einem klirrenden Armreif oder einer Kette, die bei den weit ausholenden Bewegungen ihres Körpers eine leise, fröhliche Klangkaskade hervorbrachte.
    Sie war knapp zweiundvierzig, immer noch jung und umso schöner, als man ihr ansah, dass sie als unangepasste Frau und Mutter immer wieder ungewöhnliche Entscheidungen getroffen hatte.
    Genau wie dein Vater warst du der Meinung, dass der Beruf der Kommissarin gar nicht zu ihr passe. Es lag doch klar auf der Hand, dass der Polizeijob bei ihrer wichtigen Position mit jeder Menge Pflichten, Verantwortlichkeiten und Zwängen verbunden war, die ihr so viel abverlangten, dass für so etwas wie Familie keine Zeit mehr blieb. Als Freiberuflerin oder leitende Beamtin einer Gesundheitsbehörde, die hin und wieder beruflich verreisen muss, hätte sie es deiner Meinung nach einfacher gehabt.
    Dein Vater war zwar Notar wie OpaBruno, hatte aber eher etwas von einem Linksintellektuellen, weil er sich für Politik und Kunst interessierte, für Fotografie begeisterte und alte Stiche von Dürer, Rembrandt und Martial-Potémont sammelte.
    Daniele und Antonella: ein Paar, das einfach nicht zusammenpasste – doch wer weiß, bei ihren ähnlichen Interessen würdest du deine Meinung vielleicht noch ändern müssen: Was für deinen Vater die Fotografie war, war für die Mutter die Malerei. In eurer Familie oder zumindest auf dem Gruppenbild, das du dir gerade ausmaltest, hatten alle ein heiß geliebtes Hobby: du das Leistungsschwimmen und Selvaggia, wie du schon bald erfahren solltest, die rhythmische Sportgymnastik, während deine Eltern es aufregend fanden, die Wände mit eigenen sowie fremden Fotos und Gemälden vollzuhängen.
    Und es war bestimmt keine Einbildung, dass sie sich jetzt tatsächlich zum ersten Mal in deinem Beisein ganz normal unterhielten. So normal, dass du irgendwann anfingst, nervös zu zittern. Vom Flur aus hast du eine Weile heimlich beobachtet, wie sie sich über angesagte Ü-40-Lokale unterhielten, bis dein Vater dich bemerkte und verkündete, dass er noch heute mit deiner Mutter essen gehen werde.
    Daraufhin du, halblaut: »Okay« – nicht ohne eine gewisse Genugtuung. »Perfekt!«, dachtest du in Vorfreude auf eine sturmfreie Bude. Gleich könntest du deine Freunde Nautilus und Paranoia einladen und dir gemeinsam mit ihnen das Freundschaftsspiel Italien gegen Frankreich im Fernsehen anschauen.
    Doch leider hatten deine Eltern andere Pläne.
    Â»Nun, Giovanni«, sagte dein Vater, »du hast doch nichts dagegen, wenn Selvaggia heute bei uns übernachtet?«
    Damit zerplatzte der Traum vom Fußballspiel wie eine Seifenblase. Peng. Und da dir keine Wahl blieb, hast du wieder »Okay« gesagt, wenngleich so lustlos, dass es sich in deinen Ohren eher wie ein »K. o.«, ein »Knockout«, anhörte.
    Â»Ihr mögt euch bestimmt«, meinte dein Vater.
    Â»Ich kann es kaum erwarten, dass ihr Freunde werdet, statt nur Geschwister zu sein«, jubelte deine Mutter mit geradezu fiebriger Ungeduld. Und auch du hast angestrengt Begeisterung geheuchelt, obwohl es eigentlich eher nach Desinteresse aussehen sollte, so nach dem Motto: » Tatsächlich? Nichts könnte mir gleichgültiger sein!«
    Vierzig Minuten später sagte dein Vater, der sich angesichts des ultimativen Abends mit deiner Mutter übertrieben in Schale geworfen hatte: »Wir holen Selvaggia bei deiner Mutter ab und bringen sie her. Das Essen steht im Kühlschrank.«
    Â»Außerdem kann Selvaggia kochen, du brauchst dich also um nichts zu kümmern«, mischte sie sich ein. »Und anschließend macht ihr, was ihr wollt: Schaut einen Film an, geht aus – euch fällt schon was ein! Bei uns wird es spät.«
    Aus reiner Trägheit nicktest du bloß: Ob Selvaggia kochen konnte oder nicht, interessierte dich kein bisschen. So müde wie du nach deinem krankhaft ehrgeizigen Schwimmtraining warst, würdest du sowieso nur eine Scheibe Toast essen und bewusstlos ins Bett fallen.
    Das war zumindest der Plan, leck mich!

4
    Weißt du noch? Du hast drei Stimmen an der Tür gehört, die nach dir riefen. Die der Erzeuger und eine, die du nicht zuordnen konntest, ganz einfach weil sie neu war. Es war eine beherrschte, sympathische Stimme, das schon. Du hast damit instinktiv eine angenehme, vermutlich höchst kindliche Empfindung in Verbindung gebracht wie die, in einen
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