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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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Euro verschwanden im schwarzen Schlund der Ladenkasse. An schließend nahmt ihr euren Spaziergang zur Piazza Bra schweigend wieder auf.
    Sie bedankte sich nicht einmal für die Kette! Du warst nicht beleidigt – oder? Normalerweise bedankt man sich, wenn man etwas geschenkt bekommt oder etwa nicht? Du hast nur die Achseln gezuckt, vielleicht war sie mit diesen Gepflogenheiten nicht vertraut.
    Schließlich habt ihr eine ausgezeichnete Pizza zum Mitnehmen sowie zwei Dosen Cola gekauft und den Rückweg angetreten. Ungefähr auf halber Strecke zeigte sie auf eine Bank am Ufer der Etsch. Sie nahm darauf Platz, lehnte sich gemütlich zurück, nahm dir die Pizzaschachtel ab, klappte sie auf und gab dir ein Stück. »Lass uns hierbleiben«, sagte sie. Du hast genickt und gedacht: Gar keine so schlechte Idee! Ihr habt schweigend gegessen. Du hast die beiden Cola-Dosen geöffnet und ihr eine gegeben. Dabei berührten sich eure Finger, und bereits bei diesem geringen Kontakt bist du zusammengezuckt.
    Â»Danke«, sagte sie zu deinem großen Erstaunen.
    Für die Kette hatte sie sich nicht bedankt, aber für die Cola schon. So langsam hast du dich gefragt, ob das nicht reine Berechnung war und damit minuziös geplant. Doch dann hast du dir eingeredet, dass sie dich gar nicht manipulieren konnte, weil du ohnehin nie ihr Freund sein würdest. Ihre Worte, ja ihr Verhalten, waren also authentisch und einzig und allein ihrem schwierigen Charakter geschuldet.
    Â»Glaubst du, unsere Eltern kommen wieder zusammen?«, fragtest du irgendwann, nachdem ihr gleichzeitig einen Schluck Cola genommen hattet. Warum, wusstest du selbst nicht so genau. Vielleicht, weil ihr euch sonst nichts zu sagen hattet.
    Â»Kann sein. Aber es wird bestimmt nicht lange gut gehen. Die Beziehungen meiner Mutter dauern höchstens zwei Monate. Ich bin da übrigens genauso«, sagte sie lachend. »Wir sind einfach zwei kleine Schlampen.«
    Darauf hast du nichts erwidert, denn solche Prahlereien warst du nicht gewohnt. Anscheinend hattet ihr eine höchst unterschiedliche Erziehung genossen: Wärst du bei deiner Mutter und deinem Vater aufgewachsen, hättest du vielleicht auch etwas mehr Boshaftigkeit und Berechnung an den Tag legen können. Beides ging dir gänzlich ab, während es bei Selvaggia im Überfluss vorhanden zu sein schien. Wenn sie jedoch auch die Erziehung eures Vaters genossen hätte, besäße sie jene Diskretion, die du offensichtlich ganz allein geerbt hattest. Oder besser gesagt: Bestimmt besaß sie es durchaus, dieses Gespür für Diskretion, und setzte es auch ein: zynisch, berechnend.
    Â»Und was denkst du?«, fragte sie.
    Du dachtest, dass es ganz schön anstrengend werden könnte, täglich mit Selvaggia zusammen zu sein, falls eure Eltern sich tatsächlich wieder versöhnten. Dass sie wunderschön war und dass du alles dafür geben würdest, sie nicht zur Schwester zu haben. Dass sie dich anzog, aber auch abstieß. Aber nichts davon sagtest du ihr, stattdessen trankt ihr auf irgendwas, spracht über Gott und die Welt und stelltet fest, dass ihr zwar getrennt voneinander aufgewachsen wart und dennoch etwas miteinander anfangen konntet. Schließlich wart ihr gleich alt und hattet dieselben Interessen, Träume und Ängste. Und das – davon gingst du aus – verband euch miteinander.
    Ihr lieft langsam nach Hause zurück, wortlos, denn sämtliche Floskeln waren verbraucht. Ihr spracht jedenfalls über nichts Persönliches, sondern redetet nur über dies und das, denn verständlicherweise wart ihr euch noch fremd.
    Zu Hause wühlte sie als Erstes in ihrer Handtasche, holte ein paar Utensilien heraus und schloss sich im Bad ein, während du dich aufs Sofa fallen ließt: Du sahst dir den Rest des Freundschaftsspiels gegen Frankreich an beziehungsweise hör test den Schlusskommentar des Reporters, denn das Spiel war mehr oder weniger vorbei. Für Italien hatten Aristarco und De Dominicis ein Tor geschossen, aber ob das für einen Sieg gereicht hatte, war dir nicht klar.
    Es war jetzt zwanzig nach elf. Irgendwann betrat sie ausgehfertig das Esszimmer. Wahnsinnig aufgestylt. Sie hatte Hotpants an, die ihre gebräunten Beine sehen ließen, hohe Schuhe und ein wirklich winziges Oberteil, das ihren Rücken mehr oder weniger freiließ. Und zu diesem auffälligen Look trug sie jene grüne Kette, die du
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