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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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ihr stehen!
    Auch sie schien kurz verwirrt zu sein, während du wider besseres Wissen erneut vergessen hattest, dass sie deine nächste Verwandte war, und du sie auf keinen Fall wie ein x-beliebiges Mädchen behandeln durftest.
    Aber ihr leises, zartes Zwicken sorgte dafür, dass dir ganz warm wurde, dass dich ein Staunen überkam und noch etwas anderes, schwer Fassbares. Etwas, das du Blindfisch bisher noch gar nicht gekannt hattest: Angst, Verblüffung, höchst seltsame Empfindungen! Vielleicht, weil du sie auch gern angefasst hättest, aber nicht durftest, weil du ihr Bruder warst, und das erschwerte alles – von den einfachsten Gesten bis hin zu den natürlichsten Instinkten!
    Wäre sie nicht mir dir verwandt gewesen, hättest du alles getan, um ein Gespräch in Gang zu bringen, und irgendwann wäre es zu einem Kuss gekommen – doch das durftest du nicht. Und diese quälende Gewissheit entmutigte dich und rief eine bisher ungekannte Trauer und Resignation in dir hervor.
    Diese Hand, die dir erst durchs Haar und anschließend übers Kinn fuhr, und diese herrlichen Augen, die dich musterten, waren eine melancholische Versuchung, der du um jeden Preis widerstehen musstest, denn ehrlich gesagt war es abstoßend, etwas anderes als geschwisterliche, reservierte Zuneigung für sie zu empfinden. Schon bei der ersten Berührung machte sie dich wahnsinnig, sodass du dir insgeheim wünschtest, deine Erzeuger möchten sich noch am selben Abend erneut zerstreiten und Selvaggia und dich daran hindern, euch wiederzufinden – auch nicht für eine Nacht unter demselben Dach!
    Â»Tatsächlich! Los Giovanni, worauf wartest du noch? Was stehst du da rum wie angewurzelt?«, sagte deine Mutter.
    Â»Meine Güte, jetzt umarmt euch doch endlich!«, rief dieser Wahnsinnige von einem Vater.
    Du hättest ihn umbringen können, hätte deine Schwester sich dir nicht in die Arme geworfen, woraufhin du Blindfisch weiterhin wie gelähmt bliebst, wie in Öl eingelegt.
    O Gott! Sie duftete frisch geduscht – nach Aprikose! –, und ihr Haar war so unwiderstehlich seidig wie frisch nach dem Föhnen und roch nach Shampoo und Spülung!
    Vor lauter Verlegenheit hast du sie schnell wieder weggestoßen, auch wenn sie, stur wie sie nun einmal war, darauf bestand, ihren verdammten Arm um deine Schulter zu legen. Grinsend hängte sie sich beinahe an dich!
    In diesem Moment verabschiedeten sich eure Eltern zufrieden, um blitzschnell zu ihrem unsäglichen – und aufgrund von Selvaggias unverschämten Benehmen vor allem für dich hochgefährlichen – romantischen Abendessen zu verschwinden.

5
    Die Haustür war noch nicht ins Schloss gefallen, als deine Schwester eine seltsame Verwandlung durchmachte: Auf einmal hatte sie so eine verkniffene, verdrossene Miene und versetzte dir einen gespielten Stoß zwischen die Rippen.
    Â»Und wo ist das Bad, Johnny?«, fragte sie und nahm ihren bescheuerten Arm weg. Du hast ihr einen bösen Blick zugeworfen. Sie hatte etwas von Dr. Jekyll und Mr Hyde: Noch vor einer Minute war sie so niedlich, so gefällig gewesen, doch jetzt zeigte sich, wer sie wirklich war: keine Schwester, die man beschützen musste, sondern eine arrogante Raubkatze, die in ihrem Käfig regierte.
    Trotzdem sagtest du: »Am Ende des Flurs rechts«, so als wärst du der Hausmeister.
    Daraufhin steuerte sie schweigend das einzige Ziel an, das sie im Moment interessierte, und du schlichst nach unten. Auf dem Sofa im Esszimmer ahntest du, dass es schwierig werden könnte, mit dieser Verrückten zusammenzuleben.
    Weil ihr verwandt wart, zeigte sie sich von Anfang an von ihrer schlechtesten Seite, schließlich kamst du für sie nicht als potenzieller Verehrer oder Liebhaber infrage.
    Ihr künstliches, falsches Lächeln war nur für Vater und Mutter angeknipst worden und nicht für dich, der du wie sie unter der elterlichen Trennung gelitten hattest. So weit konntest du ihr noch folgen …
    Vielleicht wollte sie von Anfang an klarstellen, mit wem du es zu tun hattest.
    Oder aber es war ihr egal, sich von ihrer weniger schmeichelhaften Seite zu zeigen.
    Die perfekte Doppelagentin!
    Hinzu kam, dass dir ihre Anwesenheit im Esszimmer erst auffiel, als sie sich zu dir aufs Sofa setzte, nur eine Armeslänge von dir entfernt, um dich gründlich zu mustern.
    Die Situation hatte etwas unfreiwillig
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