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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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ofenwarmen Kuchen zu beißen oder den kuscheligen, frisch gewaschenen Bademantel auf der Haut zu spüren. Die dir unbekannte Stimme vermischte sich zwar mit der eurer Erzeuger, hob sich jedoch deutlich davon ab. Sie klang künstlich, als würde sich Wut dahinter verbergen oder gefährliche Gleichgültigkeit.
    Deine Eltern hörten nicht auf, nach dir zu rufen, und hättest du nicht reagiert, hätten sie nach dir gesucht. Schließlich rief auch sie, Selvaggia, deinen Namen. Schon das genügte, um ein seltsames Gefühl in dir wachzurufen, so als hätte sie nicht das Recht, dich zu nerven. Gleichzeitig brauchtest du nur zu hören, wie deine Schwester ihn aussprach, um von einem vertrauten Glücksgefühl erfasst zu werden.
    Diese Stimme zog dich unwiderstehlich in ihren Bann, und das weißt du auch.
    Es knisterte zwischen euch, und erst nachdem sie noch einmal nach dir gerufen hatte, bist du aus deinem Zimmer gekommen und hast den Ahnungslosen gespielt – unter dem Vorwand, nichts gehört zu haben, weil auf deiner Stereoanlage gerade Battiato lief.
    Und da sahst du sie.
    Das sollte deine Schwester sein?
    Ehrlich gesagt, war das verdammt noch mal ausgeschlossen. Ganz einfach weil sie deine Freundin hätte sein müssen!
    Nie zuvor hattest du einen so schönen Menschen gesehen. Sie war fast so groß wie du und dünn, genau richtig dünn, was durch ihre eng anliegende Kleidung nur noch betont wurde. Und sie war braun gebrannt, schien allerdings von Natur aus ohnehin einen etwas dunkleren Teint zu haben als du. Diese göttliche Erscheinung im Flur trug eine schlichte, nicht ausgeblichene Jeans, pflaumenfarbene Converse und ein gleichfarbiges T-Shirt, dazu eine Kette, die den Sommer heraufbeschwor. Außerdem hatte sie natürlich einen Riesenkoffer dabei, logisch, so als würde sie mindestens eine Woche bleiben statt nur eine Nacht.
    Auf den ersten Blick kam dir Selvaggia fast schon zu dünn vor, weißt du noch? Dafür hatte sie dieses wunderschöne Gesicht, sodass dein Blick an ihren grünen Augen hängen blieb, an ihren großen, ausdrucksvollen Augen, die sie von deinem Vater geerbt hat, während du, bei allem Respekt, bloß das wässrige Haselnussbraun deiner Mutter mitbekommen hast. Sie hatte feine Züge und eine Stirn, die unter dem entzückenden Pony bestimmt wohlgeformt war.
    Anders als deine dunkelbraunen Haare reichten ihre schwarz glänzenden bis zur Mitte des Rückens: duftend und seidig. Sofort hast du davon geträumt, dein Gesicht in diesen wunderbaren Haaren zu vergraben, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Aber da du ja kein wackerer, heroischer Bauernbursch aus dem späten neunzehnten Jahrhun dert warst, ultra-archaisch und ebenso bekloppt wie beschränkt, nahmst du dich zusammen .
    Da ist sie auf dich zugekommen, während du wie versteinert mitten im Flur stehen geblieben bist, und hat dich mit ihren großen staunenden Augen von Kopf bis Fuß gemustert. »Aber der sieht ja genauso aus wie Johnny Strong, mamma! «, hat sie gejubelt und dich angestarrt wie einen Alien. Ja doch, stimmt, du sahst ihm tatsächlich ähnlich, dem Schauspieler Johnny Strong, wenn auch nicht so schamlos wie von ihr behauptet. Von Strong hattest du die Gesichtsform, die dunklen, ständig verstrubbelten Haare und die Camel light zwischen den Lippen – die du, weil du so überrumpelt worden warst, gerade nicht griffbereit hattest, um deine faszinierende Erscheinung abzurunden, verdammt! Eine, die jedoch bei genauerem Hinsehen copyrightmäßig einzig und allein Hollywood und dem Schauspieler Johnny Strong gehörte. Aber wenn die Göttinnen im Flur Gefallen daran fanden, mein lieber Giovanni, warum dann darauf verzichten – und sei es nur, um ein bisschen zu posen?
    Auch wenn du etwas melancholischer und zurückhaltender aussahst als der aufgedrehte Filmstar, der stets irgendwelche Wahnsinnsverheißungen für den späteren Abend in petto hatte.
    Aber das hieß noch lange nicht, dass die Mädchen dir nicht hinterherschauten!
    Doch zurück zu ihr. Sie zwickte dich ohne Erlaubnis in den Arm, und du wichst sofort misstrauisch zurück. Offensichtlich war sie nicht schüchtern genug, um zu merken, dass du Abstand halten wolltest. Sie hatte dich kaum berührt, und schon war dir, als könnte sie dich durchschauen, ja als würdest du – schluck! – nackt vor
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