Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
Vom Netzwerk:
Komisches: Sie beugte sich vor und beäugte dich ebenso neugierig wie fasziniert, wäh rend du mit wachsender Verzweiflung vor ihr zurückwichst. Du hast einen Blick auf die Uhr geworfen: Bis zum Abendessen war es noch eine ganze Weile hin – wer weiß, wie viele Stunden du mit ihr verbringen musstest!
    Warum bin ich bloß nach Hause gegangen, statt mich im Schwimmbad zu verkriechen?, hast du dich gefragt. Warum war ich nicht geistesgegenwärtig genug, mir eine Ausrede auszudenken, um diese Katastrophe zu verhindern?
    Mein armer Giovanni! Schon musstest du dir eingestehen, dass Selvaggia etwas an sich hatte, das ein ständiges Unbehagen bei dir auslöste und dich dazu verführte, jeden ihrer anmaßenden Wünsche zu erfüllen.
    Aber vielleicht verstand sie sich ja auf Hypnose.
    Oder verfügte über magische Kräfte.
    Â»Was gibt’s zum Abendessen?«, fragte sie unvermittelt und streckte sich. »Ich habe Hunger, Bruderherz.«
    Â»Mein Vater hat gesagt, dass was im Kühlschrank steht. Aber, ich konnte leider. leider noch keinen Blick darauf werfen.«
    Uff.
    Â»Und meine Mutter hat gesagt, dass wir uns eine Pizza holen dürfen.«
    Ihr saht euch an.
    Ihr harmoniertet in etwa so gut wie Violinensaiten unter den Händen eines Anfängers.
    Du sagtest stur »mein Vater« und sie »meine Mutter«: Vielleicht weil euch noch nicht richtig bewusst geworden war, dass ihr dieselben Eltern hattet und folglich Geschwister wart und keine Fremden? Ihr musstet beide kichern und wurdet fast ein bisschen melancholisch: »Entschuldige, aber das Ganze ist ein fach zu schräg«, hast du in die peinliche Stille hinein gesagt und dir durchs Haar gestrichen – ein vergeblicher Versuch, die Atmosphäre aufzulockern.
    Â»Wir müssen uns nur daran gewöhnen «, erwiderte sie spitz und zuckte die Achseln.
    Tja, da hatte sie wohl recht. Du wusstest genau, was sie damit meinte – die Art, wie sie auf moralischen Druck reagierte, war dir nicht fremd. Sie spielte das brave Töchterlein, doch vielleicht war diese langweilige Fassade nur ihre Art, sich zu schützen – oder aber zu bekommen, was sie wollte. Wahr scheinlich eher Ersteres: Wenn deine Reaktion auf diese absurde Situation die war, Gleichgültigkeit vorzutäuschen, konnte ihre durchaus in einem superarschigen, selbstsüchtigen Egoismus bestehen.
    Mit der Zeit würdest du das schon herausfinden – ja vielleicht ahntest du bereits, dass die Fähigkeit, sich anzupassen, ihr schon in Fleisch und Blut übergegangen war.
    Â»Und was machen wir jetzt? Pizza holen?«, hast du gefragt, aber nur, weil du inzwischen auch Lust darauf hattest.

6
    Du warst noch dabei, die Haustür abzuschließen, während sie bereits vor dem Tor auf dich wartete. Als du den Garten durchquertest, zeigtest du mit dem Kopf südwärts, und schon machtet ihr euch auf den Weg. Schweigend und ohne euch anzusehen, eine Schrittlänge voneinander entfernt – wie zwei Fremde, die es kaum erwarten können, sich zu trennen. Erst als ihr zum Ponte della Vittoria kamt, habt ihr ein paar Worte gewechselt, den Blick aufs Wasser gerichtet, das rücksichtslos gegen die Stützpfeiler brandete und davonfloss.
    Doch dann entdeckte sie ein Geschäft beziehungsweise diese grüne Kette im Schaufenster und zerrte dich trotz deines Protests hinein. Sie schaute sich kurz um, fragte die Verkäuferin nach der grünen Kette und probierte sie an. Sie stand ihr gut, betonte die Farbe ihrer Augen. Du hast eine entsprechende Bemerkung gemacht, und sie lachte. »Ich würde sie gerne nehmen, habe aber leider kein Geld dabei«. Erneut lächelte sie und zeigte ihr schönes, makellos weißes Gebiss.
    Â»Ich hätte nicht gedacht, dass du eine leere Handtasche mit dir herumträgst«, sagtest du mit einem durchtrieben-ironischen Lächeln, das dem ihren in nichts nachstand. Gleichzeitig nagte das Gefühl an dir, dass dieser Unterton gar nicht zu dir passte.
    Â»Das tue ich auch nicht. Es ist der Geldbeutel, der leer ist«, sagte sie grinsend.
    Da musstest du ebenfalls grinsen und zogst deinen Geldbeutel aus der hinteren Hosentasche. Dieses kleine Freundschaftsgeschenk machtest du doch gern!
    Â»Wenn du sie haben willst, kaufe ich sie dir.« Unglaublich! Schon hatte diese ausgekochte Doppelagentin dich genau da, wo sie dich haben wollte, und deine sauer verdienten fünfzig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher