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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe
Autoren: Gaia Coltorti
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unser Kind«, wiederholtest du und schlosst eine gefühlte Ewigkeit die Augen. »Und wir werden es beschützen und niemandem erlauben, ihm wehzutun.« Du warst hin und hergerissen, wusstest, dass du niemals auf dieses Kind verzichten würdest, aber auch dass du sie nicht daran hindern würdest, wenn sie es weggeben oder abtreiben wollte.
    Â»Ich weiß …«, sagte sie leise. »Bestimmt hältst du mich jetzt für grausam, für unmenschlich, aber ich …«
    Â»Das macht nichts«, sagtest du. »Das macht doch nichts: Wenn du noch nicht so weit bist, tun wir das, was du für richtig hältst.« Du gabst ihr diesen langen, leidenschaftlichen Kuss, der sich vor lauter Schmerz fast verflüssigte. Daraufhin rücktet ihr noch näher zusammen.
    Â»Es gibt noch eine andere Lösung«, sagte sie inmitten der eisigen Kälte und trostlosen Finsternis, die euch immer mehr einhüllten. Aus ihrer kleinen roten Lacklederhandtasche zog sie einen winzigen Flakon. »Würdest du auch das für mich tun?«, fragte sie mit erstickter Stimme, ohne dich anzusehen.
    Da füllten sich deine Augen mit Tränen, und die Lippen, mit denen du hättest antworten müssen, blieben stumm.
    Eine Zeit lang schluchztest du leise, ohne etwas darauf zu erwidern, und als dein Schluchzen versiegt war, sagtest du, dass ihr es nicht verdient hättet zu sterben und dass es deiner Meinung nach besser sei, nicht zu sterben. »Noch ist nicht alles verloren, mein Schatz«, flüstertest du und versuchtest mit aller Macht, dich nicht vom Schmerz überwältigen zu lassen. »Aber dafür brauche ich deinen Lebenswillen. Ohne deinen Lebenswillen …«, fuhrst du fort. »Ich … Ist dir eigentlich klar, was du da von mir verlangst?«
    Sie blieb stumm.
    Â»Ich kann das einfach nicht glauben. Ich kann nicht glau ben, dass du lieber sterben und unseren Traum aufgeben willst.«
    Â»Unsere Träume sind für immer gestorben«, sagte sie.
    Du wolltest unbedingt aufhören zu weinen, aber erneut kamen dir gegen deinen Willen die Tränen.
    Â»Dann müsste ich mich nicht für oder gegen das Kind entscheiden«, sagte Selvaggia. »Dann würde es immer bei mir bleiben.« Sie flüsterte wie ein Gespenst, sodass du sie kaum noch verstehen konntest. »Ich will doch auch nur mit dir zusammen sein – tot oder lebendig. Und bist du damit einverstanden?«
    Â»Und wenn nicht?«, fragte dein Mund dicht vor ihrem Gesicht. »Was, wenn ich nicht damit einverstanden bin?«
    Sie schwieg, dann liebkoste sie dich kurz. »Mein lieber Giovanni« sagte sie und nannte dich zärtlich bei deinem richtigen Namen. Das rührte dich so, dass es dir den Atem nahm. Sie hatte dich noch nie bei deinem richtigen Namen genannt und würde deine Frage ohnehin nicht beantworten.
    Da wusstest du Bescheid: Das war das Hindernis, das du nie überwinden würdest.
    Sie wollte dieses Leben nicht mehr, das mit solchen Schwierigkeiten und solchem Leid aufwartete. Du konntest sie sogar verstehen. Und inmitten dieser eisigen Kälte würdest du ihr zuliebe einwilligen, auch wenn das deiner Meinung nach keine Lösung war. Du hattest geschworen, alles für sie zu tun – und das, seit du sie das erste Mal gesehen hattest. Und ausgerechnet jetzt würdest du diesen Schwur ganz bestimmt nicht brechen. »Nicht einmal dem Baby zuliebe willst du am Leben bleiben?« Du legtest eine Hand auf ihren Bauch.
    Â»Ich will nur mit dir zusammen sein«, sagte sie, ohne zu zögern und ohne den Hauch eines Zweifels.
    Sie wollte nur dich. Und so schrecklich es auch war, auf das Kind zu pfeifen: Im Grunde war eure Liebe schon immer aus schließlich allein auf euch beschränkt gewesen, sodass euch nicht mal ein neues Leben, nicht mal die Zerstörung eurer eigenen Familie vor diesem Abgrund bewahren konnte.
    Außerdem fandst du es gar nicht mal so schlimm zu sterben. So wichtig warst du auch wieder nicht. Wirklich schlimm, ja beängstigend und unerträglich fandst du nur die Vorstel lung, dass sie im Grab liegen würde, wenngleich neben dir. Dass du sie nie mehr wiedersehen, umarmen, lieben und küssen würdest. Dass es zwischen euch keine Worte mehr geben würde und auch keine Liebe und kein Leben. Die Vorstellung, dass ihr schöner Körper dem Zahn der Zeit irgendwann nicht mehr widerstehen würde, war dir einfach
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