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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung
Autoren: Philip Kerr
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wenn Sie alt und grau sind - noch älter und grauer als heute -, dann lasse ich Sie vielleicht unter Ihren Stein zurück, Sie widerwärtiger kleiner Nazi. Aber kommen Sie mir nur ein einziges Mal krumm, Gunther, und ich verspreche Ihnen, Sie sitzen mit einem Galgenstrick um den Hals im ersten Flugzeug zurück nach Wien. Und das ist meiner Meinung nach genau das, was Sie verdient haben.»
    Ich ließ seine Tirade wortlos über mich ergehen. Er hatte mich eiskalt erwischt. Wie einen dicken Fisch, eine Trophäe, am Schwanz zum Fotografieren aufgehängt bei Barlovento auf dem Pier. Und nicht irgendein dicker Fisch, nein. Ein dicker Fisch, der gerade auf dem Weg nach Hause gewesen war, als er mit Rolle und Rute aus dem Golf gezerrt worden war. Ich hatte nicht einmal richtig kämpfen können. Auch wenn ich wollte. Ich wollte Quevedo umbringen, koste es, was es wolle.
    Ich starrte hinüber zum Wagen der militia und sah, dass Lopez sich ein wenig gefangen hatte und meinen Blick geradewegs erwiderte. Wahrscheinlich fragte er sich, welchen lausigen Handel ich eingegangen war, um seine lausige Haut zu retten. Oder vielleicht sah er gar nicht mich an, sondern Quevedo. Vielleicht hoffte auch Lopez, dass er eine Chance bekam, den Teniente abzuknallen wie einen Hund - sobald ihm erst wieder neue Fingernägel gewachsen waren. Er hatte außerdem das Vorrecht. Ich hatte eben erst begonnen, den jungen Teniente zu hassen. Lopez hatte viel Vorsprung.
    Lopez schloss erneut die Augen und legte den Kopf auf die Rückenlehne vor sich. Die beiden Soldaten zerrten eine Kiste aus dem Loch im Boden. Es war Zeit zu verschwinden. Falls man uns ließ. Quevedo war der Typ, der eine Abmachung nur deshalb brach, weil er es konnte. Und es gab nichts, was ich dagegen hätte tun können. Ich hatte immer gewusst, dass diese Möglichkeit bestand, und ich hatte gedacht, dass es das Risiko wert wäre. Schließlich war es nicht mein Waffenversteck.
    Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass Quevedo mich zu seinem Informanten machen würde. Ich hasste mich schon jetzt dafür. Mehr, als ich mich ohnehin schon hasste.
    Ich biss mir auf die Unterlippe, dann sagte ich: «In Ordnung. Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten. Da sind die Waffen. Die Abmachung lautet: das Versteck gegen Lopez. Wie sieht es nun aus? Lassen Sie ihn gehen, wie wir es abgemacht hatten? Ich bin Ihr schmutziger kleiner Spion, Quevedo, aber nur, wenn Sie Ihr Versprechen halten. Hören Sie? Sie halten Ihr Wort, oder Sie setzen mich gleich in ein Flugzeug nach Wien, und Gott verdamme Ihre Seele.»
    «Das war eine tapfere Ansprache», sagte er. «Ich bewundere Sie für Ihren Mut. Nein, wirklich, ich bewundere Sie. Eines Tages, wenn Ihre Emotionen sich ein wenig beruhigt haben, müssen Sie mir unbedingt erzählen, wie es war, in Hitlerdeutschland Polizist zu sein. Ich kann es kaum erwarten, mehr darüber zu erfahren. Ich interessiere mich sehr für Geschichte. Wer weiß, vielleicht entdecken wir ja noch eine Gemeinsamkeit?»
    Er hob einen Zeigefinger, als wäre ihm soeben noch etwas eingefallen.
    «Eine Sache verstehe ich wirklich nicht. Warum haben Sie Ihren Hals riskiert für einen Mann wie Alfredo Lopez?»
    «Glauben Sie mir, ich stelle mir die gleiche Frage.»
    Quevedo lächelte ungläubig. «Das kaufe ich Ihnen nicht ab. Nicht eine Sekunde lang. Auf dem Weg hierher habe ich Lopez nach Ihnen gefragt. Und er hat mir verraten, dass er Sie vor dem heutigen Tag erst dreimal im Leben getroffen hat. Zweimal im Haus von Ernest Hemingway, dem Schriftsteller, und einmal in seiner eigenen Kanzlei. Und er hat erzählt, Sie hätten ihm einen Dienst erwiesen und nicht umgekehrt. Vor dem heutigen Tag. Sie hätten ihm schon einmal aus der Klemme geholfen. Er hat nicht erzählt, was es war. Und ich habe ihm offen gestanden bereits so viele Fragen gestellt, dass ich die Angelegenheit nicht weiter verfolgen wollte. Er hatte ja auch keine Fingernägel mehr, die ich ihm ziehen könnte.»

     
    Quevedo schüttelte den Kopf. «Also. Warum? Warum haben Sie ihm schon wieder geholfen?»
    «Nicht, dass es Sie einen verdammten Dreck anginge, aber Lopez gab mir einen Grund, wieder an mich selbst zu glauben.»
    «Was für einen Grund?»
    «Nichts, das Sie verstehen würden. Ich verstehe es ja selbst kaum. Aber ihm verdanke ich, dass ich wieder Hoffnung hatte, dass ich glaubte, mein Leben hatte nach allem vielleicht doch einen Sinn.»
    «Ich muss ihn falsch eingeschätzt haben. Ich hielt ihn für einen
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