Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition)
Autoren: Matthew Quirk
Vom Netzwerk:
ich als Werkzeug hätte benutzen können.
    Die Schüsse wurden immer lauter. Als wären die Schützen schon im Zimmer. Ich hörte ein Stöhnen. Die Handschellen würden nicht nachgeben, also musste meine Hand schmaler werden. Mit der rechten Hand bog ich den Daumen meiner linken nach hinten. Ich spürte den Druck, spürte, wie der Knochen nachgab, aber nur ganz wenig. Ich ließ los. Ich würde nur ohnmächtig werden. Also die Notlösung.
    Ich riss ruckartig den Daumen nach hinten. Der Knochen brach wie ein Holzspan. Wieder verschwamm mir das Zimmer vor den Augen. Ich quetschte die Hand mit dem gebrochenen Daumen durch den Eisenring. Ich würgte, fast hätte ich mich vor Schmerz übergeben. Die Hand war frei. Ich stand auf. Die Handschelle baumelte an meinem rechten Handgelenk.
    Ich durchsuchte den Schreibtisch nach einer Pistole, fand aber keine. Henry hatte die einzige mitgenommen. Die Wandtür zum Tresorraum stand offen. Der Bereich unmittelbar hinter der Türöffnung war leer. Ich hörte angestrengtes Atmen, aber keine Schüsse mehr.
    Ich ging etwas weiter in den Korridor und schaute um die Ecke. Vier reglose Körper lagen auf dem Boden, darunter Marcus und Rado. Henry hatte recht gehabt. Rado würde seine Ehre verteidigen, koste es, was es wolle. Darauf hatte ich gezählt, aber Rado hatte den Job nicht zu Ende gebracht. Henry stieg mit der Pistole in der Hand über Marcus’ Körper und überprüfte die Tür in der gegenüberliegenden Wand. Er hatte das Massaker überlebt. Ich durfte ihn nicht davonkommen lassen. Ich musste unbedingt an eine der Waffen gelangen, die auf dem Boden oder noch in den Händen der Toten lagen. Ihre Schlitten waren zurückgezogen, es befanden sich keine Kugeln mehr in den Magazinen.
    Ich bemerkte nicht, dass der Körper sich bewegte. Rado spielte seine Rolle als Leiche gut. Nur seine Hand bewegte sich. Er hob die Pistole an, schoss und traf Henry zweimal in die linke Schulter. Der alte Mann fuhr herum. Sein Gesicht war verzerrt. Er stolperte nach hinten, trat in einen Papierkorb und plumpste rückwärts wie ein Baby auf seinen Hintern. Sein Oberkörper kippte nach hinten gegen die Tür. Er stöhnte durch die zusammengebissenen Zähne, hob die Waffe an und leerte das gesamte Magazin. Neun Kugeln schlugen in Rados Körper ein, der mit dem Bauch auf dem Boden lag.
    Nichts machte Henry wütender als Männer wie Rado, Männer, die er nicht kontrollieren konnte. Der Serbe war wahrscheinlich schon halb tot gewesen, bevor Henry ihn mit seinen Kugeln vollpumpte. Jetzt war er endgültig tot. Während ich mich an den leblosen Körpern vorbeischleppte, wurde Henry klar, dass er sich von seiner Wut hatte hinreißen lassen. Seine Waffe war leer, und er hatte kein zweites Magazin.
    Jeder Atemzug schien Henry Schmerzen zu verursachen. Rados Kugeln hatten seine Schultern durchschlagen und ein faustgroßes Loch in seine Brust gerissen. Ich trat langsam auf ihn zu, stellte mich auf die Hand, in der er die Waffe hielt, und stieß sie zur Seite. Ich schaute kurz auf ihn hinunter.
    »Ich wusste, dass Sie nicht den Mumm dazu haben, Mike«, sagte Henry mit leiser, verächtlicher Stimme. Sie klang, als hätte er Blut in der Lunge. »Wegducken und darauf hoffen, dass jemand anders die Scheißarbeit erledigt: Ihr Vater oder Rado oder Annie. Sie halten sich für einen guten und ach so anständigen Burschen. Aber Sie sind nur feige, Mike. Sie können mich nicht töten.«
    Er hob die Hand und winkte mich zu sich. Ich sollte ihm aufhelfen. »Die Kavallerie kommt nicht, Mike. Netter Versuch, aber sie sind tot. Los, geben Sie mir Ihre Hand. Ich werde Ihnen alles beibringen. Hinter der Tür da …« Er nickte zu der Tür, hinter der sich der Tresorraum befand. »Da liegt jedes Geheimnis von Washington. Das ist Milliarden wert. Sie haben sich ordentlich geschlagen gegen mich. Also, helfen Sie mir. Sie sind dabei. Gleichberechtigter Partner.«
    Ich nahm seine Hand und zog ihn hoch.
    Er lächelte. »Abgemacht, Mike.«
    Ich zog die Mülltüte aus dem Papierkorb, der rechts von mir stand. Henry schaute verwirrt die Plastiktüte an. Er probierte es mit einem neuen Schachzug.
    »Sie können mich nicht kaltblütig erledigen, Mike. Dann wären Sie genauso schlimm wie ich. Korrupt. Ein Mörder. Letztlich doch einer von meinem Team. Sie können nicht gewinnen. Helfen Sie mir auf, und wir ziehen das zusammen durch. Washington gehört uns.«
    Da war was dran. Mir fiel wieder ein, wie die Wut mich überwältigt hatte, als ich dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher