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Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin
Autoren: J Taschler
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wie kann man das lösen? Am besten wäre, Millionen von Lesern lebten auf einem anderen Planeten, ich streune also über den leer gefegten Planeten Erde und stöbere in fremden Leben, schreibe ein Buch nach dem anderen, die der Reihe nach mittels Beamen auf den bevölkerten Planeten gelangen, »Fertig zum Beamen, Mr. Scott!«, dafür wird mir reichlich Nahrung und Kleidung heruntergebeamt, die leckerste Nahrung und die schönste Kleidung, das versteht sich von selbst, nach einem halben Jahr wird mir außerdem eine Gefährtin heruntergebeamt, denn ein halbes Jahr ohne würdeloses Aufeinandergeklatsche reicht dann vollends, diese Gefährtin ist dann ganz nach meinem Geschmack, ich nenne sie Freitag, obwohl sie an einem Dienstag geliefert wurde, ich bin der moderne Robinson Crusoe, Freitag hat in ihren dichten blonden Locken, die bis zur Taille reichen, ein paar Funktionsknöpfe versteckt, wenn man diese drückt, verändert sich ihre Verhaltensweise oder auch ihr Aussehen, es gibt eine Bandbreite von komplett stumm bis hin zu fähig, äußerst intellektuelle Gespräche zu führen, von Pornodarstellerin über anschmiegsam bis hin zu züchtiger Schüchternheit, und was das Aussehen betrifft, Indianersquaw, Eskimofrau, Indonesierin, Irin, Barbie, alles ist möglich, Mathilda hat keine Funktionsknöpfe, sie ist, wie sie ist, ihr Aussehen kann man auch nicht auf Wunsch verändern, seit vierzehn Jahren dieselbe Frisur mit etwas variierender Haarfarbe, mahagonirot, kirschrot, purpurrot, hennarot, rostrot, bordeauxrot, kupferrot, welcher Mann bitte findet Rottöne anziehend, warum bin ich bei ihr geblieben? Am Anfang rührte mich ihre übermäßige Liebe, später riss mich ihre Energie mit, ihre Lebenstüchtigkeit, ja, sie verkörpert die pure Lebenstüchtigkeit, sie war immer beschäftigt, das gefiel mir tatsächlich eine Zeit lang, ich wollte mir eine Scheibe davon abschneiden, mittlerweile finde ich es anstrengend, dieses Demonstrieren, »ach, ich weiß, worauf es ankommt im Leben«, ich weiß es nämlich nicht, es gab eine Zeit, da wollte ich es wissen, jetzt nicht mehr, dieses Zwischen-den-Zeilen-heraushängen-Lassen, ich bin lebenstüchtiger ergo besser als du, wobei es nur ums liebe Geld geht, sie verdient genug Geld, um alle Rechnungen und auch Urlaube bezahlen zu können, Lebenstüchtigkeit wird also mit Geldverdienen gleichgesetzt, liebe ich sie überhaupt? Ich weiß nicht, was Liebe ist und weiß gleichzeitig, dass das ein klischeehafter Satz ist, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich mich fühlen müsste, wenn ich liebte, doch vielleicht schon, einmal hat mich ein Gefühl übermannt, das ist schon ewig her, in einem unserer Campingurlaube auf Korsika, an einem Abend machten wir Feuer am Strand, dieser alte Mann spielte Gitarre, an die zehn Leute setzten sich einfach zu uns, auf einmal stand Mathilda auf und fing zu Waltzing Matilda zu tanzen an, Waltzing Matilda, Waltzing Matilda, you’ll come a Waltzing Matilda with me, and he sang as he watched and waited till his billy boiled, you’ll come a Waltzing Matilda with me, sie war etwas betrunken und tanzte vor all den Leuten, nur mit einer Unterhose bekleidet, in diesem Moment sah Mathilda wunderschön aus, ich wünschte mir, sie wäre öfter so frech und hemmungslos, da fühlte ich etwas in mir hochkommen, eine Hitze und ein Kribbeln waren da, ein Gedanke, sie gehört zu mir, er tat gut, nach dem Song lief sie ins Wasser, kam zurück und zog mich mit, wir schmusten und schmusten, während die anderen weiter sangen, im Zelt hatten wir dann wahnsinnig guten Sex, vielleicht wusste ich doch einmal, was Liebe ist.

E-MAILS, DIE MATHILDA UND XAVER EINANDER SCHREIBEN, BEVOR SIE EINANDER WIEDERSEHEN
    Gesendet: 16. Jänner 2012
Von: Xaver Sand
An: M. K.
    Liebe Mathilda,
    lass uns E-Mails schreiben, über uns – meinetwegen auch über die Vergangenheit, obwohl ich lieber über Dein gegenwärtiges Leben lesen würde –, lass uns gemeinsam erzählen und reflektieren, über was auch immer, alles ist schon so lange her, es wäre doch spannend, was meinst Du?
    Xaver
    Gesendet: 17. Jänner 2012
Von: Xaver Sand
An: M. K.
    Mathilda? Mathilda??? Lebst Du noch?
    Gesendet: 18. Jänner 2012
Von: Xaver Sand
An: M. K.
    Ich komme mir vor wie Fred Feuerstein, der vor dem steinernen Höhleneingang steht, mit den Fäusten verzweifelt darauf trommelt und aus Leibeskräften »Wilma!!!« brüllt: Mathilda! -thilda!! -thilda!!!
    Na komm, lass Dich erweichen!!! Schreib mir doch, wie es Dir so
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