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Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin
Autoren: J Taschler
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Begräbnis statt. Alle Klassen, die sie unterrichtet hatte, kamen zu ihrem Begräbnis, alle Lehrer und auch die Direktorin. Die Kirche war mehr als voll! Die Messe war sehr berührend und alle weinten. Viele ihrer Schülerinnen, auch ich, lasen Texte vor. Wir, ihre Klasse, die 5a, sangen Frau Kaminskis Lieblingslieder, auch wenn sie nicht so sehr zu einer Begräbnismesse passten.
    Auf dem Friedhof bemerkte ich plötzlich einen Polizisten und neben ihm stand Herr Sand, der Schriftsteller. Er stand weit hinten und starrte auf den Sarg, der gerade vom Pfarrer gesegnet wurde. Unendlich traurig sah er aus. Unter uns ging natürlich sofort ein Getuschel los und alle schauten zu ihm zurück. Wir waren sehr aufgeregt, als wir ihn da hinten stehen sahen! Es war alles so spannend und geheimnisvoll für uns. Wir hatten seinen Namen in den Wochen nach dem Workshop oft in Zeitungen gelesen und im Fernsehen gehört. Herr Sand hatte sich selbst gestellt, weil er damals bei der Entführung seines Sohnes nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er war dann plötzlich ganz unvorhergesehen von der Staatsanwaltschaft in München wegen Mordes angeklagt worden, was aber aufgrund von mangelnden Beweisen fallen gelassen werden musste. In der Gerüchteküche hatte es natürlich heftig gebrodelt. Es wurde auch geredet, dass Frau Kaminski ihn überredet hätte, sich endlich zu stellen.
    Kurze Zeit nach dem Workshop, der für sie sehr anstrengend gewesen sein muss, kam Frau Kaminski ins Krankenhaus. Wir wechselten uns am Anfang mit Besuchen ab, bis ein Arzt und eine Krankenschwester uns nahelegten, nicht mehr zu kommen. Es geht dem Ende zu, sagten sie und Frau Kaminski wollte nicht, dass wir sie in diesem Zustand sehen, sie wollte, dass wir sie anders in Erinnerung behielten, nämlich als unsere Deutschlehrerin, nicht als sterbende Frau.
    Nach ihrem Tod kam noch eine Geschichte auf: Frau Kaminski war in den Armen des Schriftstellers gestorben. Herr Sand wurde von der Krankenschwester angerufen und bekam Freigang aus dem Gefängnis. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus und sie durften dann ganz alleine sein.
    Für mich ist es keine Geschichte, für mich ist es die Wahrheit.
    Valentina, 15 Jahre, 5a
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