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Unternehmen Hongkong

Unternehmen Hongkong

Titel: Unternehmen Hongkong
Autoren: Carter Brown
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    Sie war so volltrügerischer Verlockung
wie ein orientalischer Traum; wunderschön, von einem Hauch der Süße umgeben,
völlig unwirklich. Ein Mädchen mit brünettem Haar und einem herrlichen Körper,
dessen Linien sich unter dem hautengen, seitlich geschlitzten Cheongsam aus schimmernder, orangefarbener Seide
abzeichneten. Ihr Name war Natalie Dove, und als ich das erstemal sah, wie sie schmollend die volle Unterlippe vorschob, wenn etwas nicht nach
ihrem Kopf ging, begann ich, einen Traum von Tausendundeinernacht um sie zu spinnen.
    »Beachten Sie bitte die
typische Atmosphäre einer Nacht in Hongkong«, sagte ich glücklich zu ihr. »Den
zitronengelben Mond, den man listig aus einem Stück Pappe ausgeschnitten und an
den mitternachtsblauen Himmel geheftet hat. Während wir hier auf dem Dachgarten
sitzen, schweift unser Blick über den Hafen, hinüber zu den Rätseln Kowloons,
den mächtigen Gipfeln der New Territories , bis
zum...«
    »Andy Kane !« unterbrach sie mich brüsk. »Wenn ich nach einer Stadtrundfahrt Verlangen gehabt
hätte, wäre ich in ein Reisebüro gegangen .«
    »...Tai- ma -Shan,
der höchsten Erhebung«, fuhr ich fort, ohne ihren Einwurf zu beachten. »Und
dort drüben auf der anderen Seite liegt das Festland, China—dunkel,
geheimnisvoll und rot. Hongkong ist das Sündenbabel des Ostens, die letzte
Bastion westlichen Einflusses — ein Schmelztiegel von West und Ost, der die
schönsten Frauen der Welt hervorgebracht hat, die Eurasierinnen. Hier kann man
haben, was das Herz begehrt — gegen Barzahlung. Sprechen Sie einen Wunsch aus,
er wird erfüllt werden. Diese Stadt ist gewissermaßen das größte Warenhaus der
Welt, und die billigste Ware sind Menschen. Nehmen wir beispielsweise mal die
Tanzmädchen .«
    »Können Sie denn nie an etwas
anderes als Frauen denken ?« erkundigte sich Miss Dove
unwirsch.
    »Wenn ich wach bin, nicht«,
gestand ich ehrlich.
    »Ich wußte ja, daß Sie den
letzten Drink hätten stehenlassen sollen«, meinte sie düster. »Sie sind total
blau .«
    »Nicht blau — eher freudig
erregt«, widersprach ich. »Nur selten wird mein Schattendasein durch so viel
Glanz und Schönheit erhellt. Kann ich etwas dafür, daß Sie mich inspirieren ?«
    Ihr Fuß klopfte in
gleichmäßigem Rhythmus auf den Boden.
    »Würden Sie mal einen
Augenblick ernst sein, Andy ?«
    »Okay, Natalie, mein
fleischgewordener Traum.« Ich seufzte. »Aber gern tu ich’s nicht .«
    »Eine Million Dollar —« sie
senkte die Stimme zu einem Flüstern, »— und sie liegt nur vier Meter tief in
der Bucht .«
    »Und die Bucht ist fünf
Kilometer breit«, versetzte ich kühl. »Außerdem gehört sie zu Rot-China, und
die Burschen wachen eifersüchtig über ihre Buchten, besonders über solche, auf
deren Grund eine Million Dollar liegt .«
    »Das ist doch etwas ganz
anderes«, entgegnete sie wütend. »Ich habe eine Karte .«
    »Jeder hat eine Karte .« Ich lächelte traurig. »Es ist die erste Voraussetzung zur
Schatzsuche. Es ist genau wie bei der unentdeckten Goldmine — erst braucht man
einen Goldbarren .«
    »Sie glauben mir nicht ?« Ihr Ton war eisig.
    »Ich lebe seit neun Jahren in
Hongkong«, erwiderte ich gelassen. »Wenn ich jede Karte gekauft hätte, die man
mir im Lauf dieser Zeit zur Auffindung eines vergrabenen Schatzes angeboten hat,
hätte ich meine eigene Bibliothek eröffnen können .«
    Natalies Zähne gruben sich
behutsam in die verlockende, volle Unterlippe.
    »Ich will Ihnen die Karte nicht
verkaufen«, erklärte sie frostig. »Ich möchte Sie lediglich bitten, mir zu
helfen, die Million in meinen Besitz zu bringen. Sie können sich eine
Gewinnbeteiligung verdienen .«
    »Das Angebot einer
Gewinnbeteiligung an einem Objekt, das Rot-China gehört, ist leider ebenso
theoretisch wie die Möglichkeit einer Einnahme des Kreml«, sagte ich bedauernd.
    Sie holte tief Atem, und die
schimmernde Seide straffte sich.
    »Andy Kane«, sagte sie mit rauher , vibrierender Stimme, »wie lange kennen Sie mich ?«
    »Acht Tage, siebzehn Stunden«,
antwortete ich prompt. »Wenn ich dran denke, was dabei herausgekommen ist, hätte
ich ebensogut angeln gehen können .«
    »Acht vergeudete Tage«, meinte
sie bitter. »Ich habe einen Mann mit Mut gesucht—einen Glücksritter —, einen
Mann, der sich in China auskennt, und ich dachte, ich hätte ihn gefunden, als
ich Sie kennenlernte, aber Sie sitzen nur herum und trinken wie ein Loch.«
    »Nicht ärgern, mein Schatz, nur
wundern«, riet ich
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