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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug
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Früher entrollten die Piloten nach der Landung die Nationalflagge des besuchten Landes. Den Fahnenstock schoben sie durch eine Röhre im Cockpitdach; ein höflicher Ehrensalut an die Gastgeber.
    Im Zeitalter des Terrorismus schien eine derartige nette Formalität geradezu absurd. Am liebsten hätten sich die Crews im Cockpit mit Maschinengewehren eingeigelt und ihre Fluggäste nur noch nackt an Bord gelassen.
    Die nackt an Bord gehenden Fluggäste waren Hanssens Lieblingsidee; er sah die Entwicklung der nächsten zehn Jahre so voraus. Mit freundlichem Lächeln würde ihnen die Stewardeß ein garantiert waffenfreies Leinengewand am Eingang überwerfen: Service der Zukunft.
    Hanssen beobachtete den Sicherheitsbeamten der ›Avitour‹, der offensichtlich aus den oberen Stockwerken der Direktion herabgesandt worden war, um zunächst die ordnungsgemäße Durchsuchung der erlauchten Ehrengäste zu überprüfen und sich jetzt die Maschine klar melden zu lassen. Unter der riesigen DC-10 konnte man aufrecht stehen, die Rumpfunterseite konnte man nur mit ausgestreckten Händen berühren, die Tragflächen waren außerhalb seines Bereiches. Hier, wo er stand, konnte keiner heimlich einen wie auch immer gearteten Sprengkörper anbringen. Und Fahrwerkschächte und Triebwerke hatte der Mechaniker Misch kontrolliert. Auch an Bord hatte sich niemand aufgehalten, der nicht durch und durch vertrauenerweckend und bekannt war. So wartete Hanssen unter dem Rumpf gelassen auf den Sicherheitsbeamten, der ungeschickt die Wendeltreppe herunterkletterte.
    »Die Passagiere sind mit ihrem Handgepäck ordnungsgemäß überprüft und für einwandfrei befunden worden!« begann er, als er Hanssen gegenüberstand. »Wie sieht es hier aus?«
    Hanssen musterte ihn ein wenig verächtlich.
    »Hier gibt es keine Bombe«, sagte er. »Im Umkreis von fünfzig Metern nicht. Dafür lege ich die Hand ins Feuer!«
    Quandt fuhr abwärts in den Großen Konferenzsaal.
    Er hatte sich von seinem Sicherheitsbeauftragten die ordnungsgemäße Durchführung des Alarmstufenplans bestätigen lassen. Er hatte auch Hanssen noch einmal ans Telefon gebeten: Es gab keine Bombe. Wenn Hanssen dafür garantierte, dann gab es keine. Nicht an Bord seiner ›Steppenadler‹.
    Er zeichnete für die Idee mit den Vogelnamen verantwortlich – eine Marotte von ihm. Die Registrationszeichen der DC-10 hießen D-AJOS. Er benutzte den letzten Buchstaben als Anfangsbuchstaben des Vogelnamens. Die ›KLM‹ hatte das vor dem Krieg bei ihren Fokker-F-1 8 – und Douglas-DC-3-Flugzeugen so gemacht. Eine seiner DC-9-Mittelstreckenmaschinen war als D-AJUK registriert; er taufte sie ›Kranich‹. Als später die D-AJUJ kam, geriet er in Schwierigkeiten. Er hätte sie ›Jungfernkranich‹ taufen können; aber da hatte er schon die ›Kranich‹. Er scheute keine Mühe, zugunsten seiner fixen Idee die Registration auf D-AJUP, den Namen auf ›Pirol‹ ändern zu lassen; da war er geradezu konsequent unkonventionell.
    Als er aus dem Luft stieg, waren die Eröffnungszeremonien in vollem Gang. Er würde Mühe haben, seine 'Verspätung zu begründen. Irgendwann würde er Brändel, den Flughafendirektor, beiseite nehmen und ihm von der Bombenwarnung berichten. Schließlich mußte der wissen, was auf seinem Hafen vor sich ging; aber erst, wenn seine ›Steppenadler‹, sein Lieblingsschiff, in der Luft war!
    Der Rhein-Spessart-Flughafen Otto Lilienthal war ein Flughafen der Superlative. Das sechseckige Abfertigungsgebäude war für ein Passagieraufkommen von 50 Millionen Fluggästen jährlich konzipiert. Die Gesamtkosten, für die erste Baustufe mit 500 Millionen DM veranschlagt, hatten sich rasch als zu niedrig erwiesen. Für Schlechtwetteranflüge nach der Kategorie II und III verfügten die Bahnen über insgesamt fünf AEG-Telefunken-ILS-Systeme.
    Schon vor dem ersten Spatenstich war die Finanzierung gesichert worden. Nachdem vor fast zehn Jahren der Aufsichtsrat der Rhein-Spessart-Flughafen GmbH als Vorsitzenden den Finanzminister Dr. Ernst Jarkosch gewählt hatte, gingen Planung und Finanzierung fast beängstigend flott voran: Aufgrund eines Konsortialvertrages beteiligte sich der Bund mit 21% am Stammkapital. Die Städte Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Darmstadt übernahmen 28%, während das Land Hessen mit 51% Mehrheitsgesellschafter wurde.
    Der Flughafen lag in einer offiziell unter dem Namen Mainebene bekannten Niederung, etwa im Mittelpunkt eines Dreiecks, das durch die Städte Darmstadt,
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