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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug
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ich zu tun habe! Was schlagen Sie vor?«
    »Das gleiche wie Sie: Strengste Kontrolle der AVI 2000. Alarmstufe eins!«
    »Habe ich. Natürlich! Und eine interne Warnung an alle anderen betroffenen Airlines. ›Lufthansa‹, ›Air France‹, ›British‹, ›KLM‹.«
    »Die Aktion müßte sofort anlaufen. Mit Überschall. Sonst ist der pünktliche Start ein holder Traum wie ein Schäferstündchen mit Liz Taylor!«
    »Ich veranlasse sofort alle Maßnahmen!« Plötzlich war Quandt wieder ganz und gar vorgesetzte Direktion. »Ich setze Sie zu gegebener Zeit weiter in Kenntnis.«
    »Fein!« sagte Gundolf.
    »Keine Rose ohne Dornen«, sagte Hanssen am Telefon. »Kein Fest ohne Alarmstufe eins!«
    Er legte auf, kletterte die Wendeltreppe an der Außenseite des Fingersteigs 44 C hinunter und ging zurück an die DC-10 der ›Avitour‹. Zusammen mit dem Mechaniker Alexander Misch war er verantwortlich für die Außenabfertigung des Jumbo-Jets: Beladung, Passagierkontrolle, Versorgung mit Bodengeräten, Betankung, Sonderwünsche des Kapitäns.
    Hanssen, gebürtiger Hamburger und gerade 35 geworden, hatte soeben von der Bombendrohung erfahren. Sie regte ihn kaum noch auf: Sie war seine vierzehnte. Im Laufe der Jahre waren alle Versuche der Pilotenvereinigungen, auf diplomatischem Wege dem Terror, den Entführungen und Erpressungen ein Ende zu bereiten, an Gleichgültigkeit, Ignoranz und handfesten Wirtschaftsinteressen gescheitert. Nach wie vor wurden Länder, die Flugzeugentführer unterstützten, nicht boykottiert. Aus Furcht, den Ölhahn zugedreht zu bekommen, wagte kein Land, gegen einen arabischen Terroristen vorzugehen.
    Alles, was dem kleinen Mann am Boden und in der Luft übrigblieb, war Selbsthilfe – so sah Hanssen, ein alter Routinier in seinem Fach, die Lage. Was durch seine Hände, seine Kontrolle ging, war einwandfrei.
    Er ließ sämtliche Koffer, die gerade angefahren wurden, durch ein Seil einzäunen. Die einsteigenden Passagiere würden sie identifizieren müssen. Jeder Koffer, dessen Besitzer sich nicht meldete, blieb zurück. Jeder verdächtige Passagier ebenfalls – und wenn er sich als Generalsekretär der UNO ausgab! Bei Hanssen war die AVI 2000 in besten Händen!
    Bei Alexander Misch ebenfalls. Er hatte die Heinkel He-111 der alten Vorkriegs-›Lufthansa‹ gewartet, wenn auch nur als Lehrling unter Aufsicht. Später hatte er Super-Connies klargemeldet. Jetzt hatte er seinen Outside-Check um die DC-10 beendet.
    Hanssen ging gewissenhaft die Fracht- und Beladungspapiere durch. Wie überall in der Fliegerei waren komplizierte Bezeichnungen oder Vorgänge durch Codewörter und Abkürzungen ersetzt worden.
    Hanssen hatte unter anderem beladen lassen: DIP, Diplomatenpost, EIC, sogenannte Flight Kits, in denen Flugzeugersatzteile wie Reifen oder Navigationsgeräte mitgeführt wurden. AVI, lebende Tiere, in diesem Fall die Riesendogge einer Direktorengattin. Derartig sensible Tiere mußten im hinteren Laderaum 3 verfrachtet werden, weil nur dieser sich stufenlos in der Temperatur regulieren ließ. RGR, nicht brennbare, unter Druck stehende Gase.
    Schließlich noch HUM: sterbliche Überreste. Die Leiche eines englischen Diplomaten, der auf den Bermudas zu Hause war, seinen Urlaub im Schwarzwald verbracht hatte, sollte überführt werden. Die ›British Airways‹ hatte die Ladung wegen Platzmangel bereits abgelehnt. Und auch Hanssen hatte abgelehnt – in jener Eigenverantwortung, die bei der ›Avitour‹ nur wenige zu übernehmen bereit waren. Nicht, daß er abergläubisch war. Aber er hielt eine Leiche wirklich nicht für die richtige Begleitung auf einem strahlenden Eröffnungsflug!
    Vom Terminal her klang festliche Musik übers Vorfeld: schottische Dudelsackweisen. Nach der Eröffnungsmelodie Kuhns hatten internationale Kapellen und Gesangsgruppen jene musikalische Gestaltung übernommen, die die Zusammengehörigkeit aller luftfahrttreibenden Nationen bekräftigen sollten: ein französisches Musette-Ensemble, eine spanische Flamencogruppe, russische Balalaikaspieler, südafrikanische Pennywhistler, balinesische Tempeltänzer.
    Hanssen überflog, während Schulklassen fähnchenschwingend aus nicht erkennbarem Grund zu jubeln begannen, noch einmal das Flugzeug – sein Werk sozusagen.
    Die ›Steppenadler‹ war das Flaggschiff der ›Avitour‹.
    Flaggschiff war ein Begriff aus der Vorkriegsluftfahrt. Es war nur Luftfahrtenthusiasten wie Hanssen geläufig: das schönste, das repräsentativste Schiff.
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