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Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Titel: Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation
Autoren: Arno Schmidt
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Frage ist, (die erste ist das Gerüst; die zweite die Oberflächenbehandlung, das ist ›die Sprache‹). Darüber hinaus bestrebe ich mich, lediglich meine Umwelt möglichst präzise abzubilden – aber schon das ist unsern west=östlichen Diwanisten unerwünscht; man kann's ja auch verstehen. Wenn in meinen Büchern etwa ›Die Sexualität‹ 5 bis 10 % einnimmt, dann ist das weniger, als bei den meisten Menschenferkeln, die sich gar nicht darüber beruhigen können, daß ich einen Spaten einen Spaten nenne : (es scheint fürchterlich schwer zu sein, hier Normalität ganz schlicht einzugestehen). Nicht minder lächerlich ist es, von mir zu verlangen, daß, wenn ich, sagen wir einen kommunistischen Fernlastfahrer auftreten lasse, Der sich nun nichts schöneres kennen dürfe, als die ›Unbefleckte Empfängnis‹ zu demonstrieren und beim Namen ›Adenauer‹ jedesmal ehrerbietig sein Mützchen abzuziehen : Der tut das nicht! (Wunderlich, vielleicht; aber es ist so.) Frage : darf ich da ›So Einen‹ überhaupt nicht porträtieren ? Oder ist das eine bloße Sache des Längengrades ? (Denn wenn ich in der Mark Brandenburg wohnen müßte, würde mir ja womöglich offiziell aufgegeben, eine Type der Art zum ›Helden‹ zu erkiesen.) Also das=Alles sind Skrupel, auf die ich wirklich nicht mehr eingehen kann, wie man vielleicht eingesehen haben wird : ich bin meine Arbeitskraft ernsthafteren Dingen schuldig. Als da sind Prosaexperimente; und Untersuchungen über Wort=Ausläufer und =Stecklinge.

4
    »Alles, was bei uns in Preußen in geistigen Dingen geschieht, ist roh, kommissig, urdämlich !«, hat einst der alte F ONTANE sein Urteil über den Staat, in dem er leben mußte, zusammengefaßt. Hätte er für ›Preußen‹: ›Deutschland‹ gesetzt, wär's eine bedeutende Wahrheit gewesen. (Und wäre ihm gar die ›Welt‹ eingefallen – tcha dann war's ja ein glattes ›Axiom‹ geworden !). —
- : ›Schwierigkeiten‹............
    [1963]

NACHSCHLAGEWERK IM WERDEN
1
    , oder ›Die Silberhochzeit in der DDR‹ – ich hätt'es eigentlich, föjetonnistisch, so überschreiben sollen; denn es wird ja sicher doch nur wieder auf unverbindliche Gedanken eines Überflüssigen hinauslaufen.
    Selbstredend ist alles ›ganz organisch‹ erfolgt, (wie ich denn überhaupt vielzu vielzu tun habe, als daß Irgendjemand, vom kleinsten Muck bis rauf zu Adonaj, sich schmeicheln dürfte, mir läge daran, ihn ›bewußt schockieren‹ zu wollen) : wir haben unsre Silberhochzeit schlicht deswegen in den genannten innereuropäischen Einöden celebriert, weil nahezu alle unsere Verwandte drüben leben. Aber von Persönlichem nur so viel, daß es sehr nett war; in der Hauptsache habe ich mich, wie es einem Schriftsteller, einem gewissen seiner Nazion, wohl ansteht, gemüht, Augen & Ohren & Sinnes=Forten allgemein nach Kräften aufzusperren; und wieder – ich war nicht etwa das erstemal jenseits des Calton Creek – so viel zu registrieren, wie ich nur vermochte. Gutes Gleichgültiges Unangenehmes Lachhaftes; und Mienen & Redewendungen & Ausdrucksweisen.
    Darüber, daß die DDR nicht länger tragbar sei, (auch eigentlich gar nicht exisitiere, was wohl das Schlimmste ist, so einem Staats =Wesen widerfahren kann, Armes Rot=China !), ist man sich ›bei uns‹ seit 15 Jahren überflüssig klar, und wir erfahren das noch heute täglich in sämtlichen ›Programmen‹; ich kann mir also alle diesbezüglichen Deklamationen sparen. / An ›Gutem‹ habe ich mir so manches vom Studium der jungen Leute notiert. In den Spielzeugläden sah ich keine Panzer, (›wie bei uns‹ kommt 1 Echolein aus dem vorangehenden Satze); wohl aber in einem, gänzlich unvorhergesehen & unvorbereitet besuchten, Kindergarten die allersympathischsten Holz=Sachen : so einen zweihandlangen Bierwagen, mit eigroßen Tönnchen, hab'ich als Junge auch gehabt! / Ums Gärtchen wankten die Gardinen aus Hängeweiden und Goldregen – ›auch im Osten wird es August‹ – und der Rumänische Sekt schmekkte, und die Bulgarischen Firsiche mundeten, (dagegen wirkten die mir vergleichbaren US=Konserven fade; das Wort ›platinblond‹ fällt mir unwillkürlich ein). Draußen ging A NNA S EGHERS vorbei. Wohltuend wenig Autos. Und von sämtlichen Einwohnern, denen ich zuhörte – ich spreche, wenn es Ernst wird, fast nie; ich notiere viel lieber ! – geriet beim Namen A DENAUER eigentlich Keiner in Verzükkungen. Kurios vielleicht, aber Die taten das nicht.
    Muß ich erst noch
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