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Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One

Titel: Kein Sterbenswort - Kein Sterbenswort - Tell No One
Autoren: Harlan Coben
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Prolog
    Ein dumpfes Raunen. Ein eisiger Schauer. Irgend so etwas wäre angebracht gewesen. Eine unheimliche Melodie, die nur Elizabeth und ich vernahmen. Eine drückende Atmosphäre. Ein klassisches Menetekel eben. So manches Unglück erwarten wir beinahe - wie zum Beispiel das, was meinen Eltern widerfahren ist -, und dann gibt es andere dunkle Momente im Leben, jähe Gewaltausbrüche, die auf einen Schlag alles verändern. Nehmen Sie nur einmal mein Leben vor der Tragödie. Und dann sehen Sie sich mein jetziges Leben an. Da gibt es schmerzlich wenig Gemeinsamkeiten.
    Elizabeth war sehr still auf unserer Jubiläumsfahrt, aber das war eigentlich nichts Besonderes. Sie hatte diese melancholischen Anwandlungen schon als junges Mädchen gehabt. Dann schwieg sie, verlor sich in Gedanken oder versank in tiefer Schwermut - ich konnte in diesen Situationen nicht sagen, was genau in ihr vorging. Das war wohl Teil des Geheimnisses, dennoch spürte ich damals zum ersten Mal, dass sich ein Graben zwischen uns auftat. Unsere Beziehung hatte so viel überstanden. Ich fragte mich, ob sie auch die Wahrheit überstehen würde. Oder, wenn man so wollte, die unausgesprochenen Lügen.
    Die Klimaanlage im Wagen surrte auf Hochtouren. Draußen war es heiß und schwül. Ein typischer Augusttag. Wir überquerten den Delaware auf der Milford Bridge und wurden von einem freundlichen Maut-Kassierer in Pennsylvania willkommen geheißen. Zehn Meilen weiter sah ich den Stein mit der Aufschrift LAKE CHARMAINE - PRIVAT. Ich bog in den Feldweg ein.
    Die Reifen krallten sich in den trockenen Sand, schleuderten Staub in die Luft wie eine Herde Araber. Elizabeth schaltete das Radio aus. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sie mein Profil betrachtete. Ich fragte mich, was sie darin sah, und mein Herz schlug schneller. Rechts von uns knabberten zwei Hirsche an ein paar Zweigen. Sie hielten inne, begutachteten uns, merkten, dass wir keine Bedrohung darstellten, und knabberten weiter. Dann öffnete sich der Blick auf den See. Die Sonne lag in den letzten Zügen, färbte den Himmel in strahlenden Rosa- und Orangetönen. Die Baumwipfel schienen in Flammen zu stehen.
    »Unglaublich, dass wir das immer noch machen«, sagte ich.
    »Du hast doch damit angefangen.«
    »Ja, als ich zwölf war.«
    Ein Lächeln spielte um Elizabeths Lippen. Sie lächelte nicht oft, aber wenn, peng, dann traf es mich direkt ins Herz.
    »Wie romantisch«, beharrte sie.
    »Wie verrückt.«
    »Ich mag Romantik.«
    »Du magst Verrücktheiten.«
    »Wenn wir hier sind, wirst du jedes Mal flachgelegt.«
    »Ich war schon immer ein großer Romantiker«, sagte ich.
    Sie lachte und nahm meine Hand. »Na dann komm, mein großer Romantiker, es wird dunkel.«
    Lake Charmaine. Mein Großvater hatte sich den Namen ausgedacht und meine Großmutter damit zur Weißglut getrieben. Sie meinte, der See solle nach ihr benannt werden. Sie hieß Bertha. Lake Bertha. Opa wollte davon nichts wissen. Zwei zu null für Opa.
    Vor gut 50 Jahren war Lake Charmaine ein Sommercamp für die Kinder reicher Familien gewesen. Der Besitzer hatte Pleite gemacht, und Opa bekam den See und das umliegende Land für einen Spottpreis. Er hatte das Haus des Camp-Leiters ausgebaut und die meisten anderen Gebäude am Ufer abgerissen. Die Hütten, die etwas tiefer im Wald lagen, wo jetzt kaum noch jemand hinkam, hatte er verfallen lassen. Ich hatte sie früher zusammen mit meiner Schwester erforscht. Wir hatten in den Ruinen nach Schätzen gesucht, Verstecken gespielt und es gewagt, dem wilden Mann nachzuspüren, der, davon waren wir fest überzeugt, auf der Lauer lag und uns beobachtete. Elizabeth hatte sich fast nie daran beteiligt. Sie musste immer wissen, wo alles war. Versteck spielen machte ihr Angst.
    Als wir aus dem Auto stiegen, hörte ich die Geister der Vergangenheit. Es gab hier viele von ihnen, zu viele, und alle wirbelten durcheinander und wetteiferten um meine Aufmerksamkeit. Der Geist meines Vaters gewann. Der See lag in regloser Stille vor uns, aber ich schwöre, dass ich Dads Freudengeheul hören konnte. Er stieß es immer aus, wenn er die Knie fest an die Brust gepresst, ein nicht mehr ganz normales Grinsen im Gesicht, eine Arschbombe vom Steg hinlegte. Seinem einzigen Sohn kam das aufspritzende Wasser wie eine wahre Flutwelle vor. Besonders gern landete er direkt neben dem Floß, auf dem meine Mutter sich sonnte. Sie schimpfte ihn dann aus, konnte sich das Lachen jedoch meist nicht ganz verkneifen.
    Ich
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