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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seiner Heimat festhielt. Für ihn war Hartung die halbe Welt, die andere war der Pferdestall. Alles andere war für ihn nur eine Randerscheinung.
    »Herrchen! Laska ist weg! Det Luder ist ausjebrochen!«
    Am Fenster erschien Hartung. Hinter ihm, ungeniert, tauchte der Kopf Angelas auf. Wie Romanowski gehörte sie auf diesen Hof, und Romanowski erkannte das an.
    »Weg is se!« schrie er. »Boxentür uff, und jehört hab ick ooch nischt. Det fangt ja jut an, Herrchen!«
    Zehn Minuten später saßen Hartung und Romanowski im Sattel und ritten zum Zigeunerlager.
    Dort herrschte echte Trauer. Zugan rannte herum wie von Sinnen, Buschi und Geza Bodvany waren heiser vom lauten Rufen, die alte Emelga hockte auf einem Campingstuhl und legte zum siebtenmal die Karten. »Sie kommt nicht wieder!« schrie sie zu Zugan hinüber. »Die Karten sagen es.«
    »Ich fresse die verdammten Karten auf!« brüllte Kaiman und drehte sich um sich selbst. »Sie muß kommen! Vierzehnmal ist sie ausgerissen, warum nicht jetzt.«
    »Sie liebt ihren neuen Herrn.«
    »Liebt! Als ob ein Gaul eine Seele hat! Ist sie nicht darauf dressiert, auszureißen und zurückzukommen? Spätestens jetzt, wo der Stall offen ist, muß sie kommen. Bis jetzt hat sie noch jeden umgerannt.«
    »Sie kommt nicht!« sagte die alte Emelga stur. Sie warf die Karten hin und hustete. »Die Karten lügen nicht.«
    »Reiter!« schrie Geza, der außerhalb der Wagenburg stand. »Der Mann, der Laska gekauft hat. Und dieser schreckliche Knecht. Zugan, Laska ist doch weg!«
    »Aber wo ist sie?« brüllte Kaiman und hielt sich den brummenden Schädel. »Warum ist sie nicht hier? Mein Gott, man hat sie auf dem Weg zu mir geklaut. Der heilige Stephan verfluche den Dieb! Meine schöne, treue Laska!«
    Hartung und Romanowski trafen auf eine Zigeunersippe, die äußerst erstaunt tat, als man sie fragte: »Ist das Pferd hier?«
    »Wieso?« fragte Kaiman mit bebender Stimme zurück. »Sie haben es gekauft, mein Herr. Warum soll es hier sein? Ist Laska weg? So eine Tragödie! Sie waren es nicht wert, ein solches Pferd zu besitzen! O Gott, o Gott, hätte ich sie doch nie verkauft!« Der letzte Satz war ehrlich und klang aufrichtig verzweifelt.
    Romanowski kümmerte sich nicht um den Protest der Zigeuner. Er sah sich um, im Zelt, zwischen den Wohnwagen, verfolgt von den finsteren Blicken der Männer. Sie sollten ihm Angst einjagen, aber wer bekam es schon fertig, Romanowski Angst zu machen? Und wäre der Teufel persönlich gekommen, er hätte mit ihm Skat gespielt und ihm auch noch den letzten Dukaten abgenommen.
    »Nischt«, sagte Romanowski nach Erkundung des Lagers. »Det Luder is im Jelände. Fangen wir an mit de Suche.«
    Horst Hartung mobilisierte ganz Barsfeld, nach Laska zu suchen. Mit Treckern und Autos, auf Fahrrädern und zu Pferde durchstreifte alles die Gegend. Der rote Wagen der Freiwilligen Feuerwehr beteiligte sich ebenso wie der Polizist Jens Bisterfeld, der auf einem Motorrad, mit Sturzhelm und Sprechfunkgerät, durch die Waldschneisen brauste und schließlich in einem Sumpfloch steckenblieb.
    Zugan Kaiman und seine Zigeunersippe schwärmten aus und durchkämmten das Gelände. Ihre Rufe »Laska! Laska! Laska!« schallten weithin über das stille Land.
    Aber Laska blieb verschwunden. Pferdespuren gab es genug, doch damit konnte in Barsfeld keiner etwas anfangen. Man hatte selber zu viele Pferde im Ort.
    »Sie ist weg!« sagte Zugan nach mehrstündiger Suche und weinte. »Einfach weg. Wer weiß, wo sie auftaucht. Ein Pferd, das Gott geküßt hat. Ein Jammer!«
    Und dabei blieb es. Die Suchaktion wurde eingestellt, Hartung stiftete für alle Beteiligten Schnaps und Bier im Wirtshaus ›Zur Eiche‹, am nächsten Morgen zogen die Zigeuner weiter. Sie waren tiefbetrübt und begriffen nicht, daß Laska zwar ausgebrochen war, aber dann vergessen hatte, zurückzukehren.
    »Auf nichts ist mehr Verlaß«, klagte Zugan Kaiman. »Nicht mal auf ein Pferd.«
    »Nur auf die Karten!« sagte die alte Emelga, und diesmal widersprach ihr niemand.
    Romanowski schlief fest und schnarchte wie eine Baumsäge, als leise die Stalltür aufgedrückt wurde und ein großer Schatten fast lautlos hereinkam. Es klapperte leise auf dem Steinboden, ein verhaltenes Schnauben, dann beugte sich ein schmaler Kopf mit großen, glänzenden braunen Augen hinunter zu Romanowski. Weiche Nüstern glitten über sein Gesicht und zwickten ihn dann in die Schulter.
    Mit einem Schrei schoß Romanowski hoch.
    »Du Luder!«
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