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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ersten Besucher umstanden das Zigeunerlager und starrten auf die fremden Menschen aus einer anderen Welt.
    Und um 20 Uhr – so hatten die Zigeuner durch Handzettel bekanntgegeben – war die erste Vorstellung. Gemeindepolizist Bisterfeld begutachtete die Sicherheitsvorkehrungen und wunderte sich über die Kombination von Zirkus und Textilverkauf. Denn neben der ›Manege‹, einer kreisrunden Bahn aus Sand – ihn lieferte der Bauunternehmer Vierbach, zum Sonderpreis von 10,- DM je Tonne frei Manege –, bauten die Zigeuner Stände mit Unterwäsche, Schürzen, Kittelkleidern, Cordhosen, Oberhemden, Tischdecken, Federbetten, Steppdecken und Teppichen auf.
    »Sie bleiben eben Gauner«, sagte Bisterfeld leise zum Bürgermeister, der als Ehrengast geladen war. »Aber die Kerle haben den Dreh 'raus wie kein anderer. Wetten, die machen bei uns ein Bombengeschäft!«
    Die Zirkusvorstellung war schlecht. Siffa, eine bildhübsche junge Zigeunerin im engen Trikot, hüpfte vom Boden auf ein trabendes Pferd und wieder hinunter, kniete auf dem Rücken des Gaules, streckte das linke Bein von sich und lächelte so verführerisch, daß sie Applaus bekam, als habe sie einen dreifachen Salto geboten. Dann kam Zugan Kaiman, der Sippenchef, in die Manege, schluckte Feuer und spie es wieder aus, verschluckte zehn flammende Fackeln, blies dann einen Berg Papier an und steckte ihn damit in Brand.
    »'n alter Hut«, sagte Polizist Bisterfeld leise zu seinem Bürgermeister. »Das wär 'ne Nummer – Flammen schlucken und durch den Hintern wieder ausblasen.«
    Die Umstehenden lachten und klatschten. Zugan verbeugte sich und bot als Zugabe noch ein kleines Feuerwerk.
    Dann trabten alle vier Pferdchen in das Rund, und für eine Mark durfte jeder drei Runden reiten. Obzwar man in Barsfeld umsonst reiten konnte, denn die meisten Bauern besaßen noch Pferde, drängte man sich in die Manege. Siffa, die temperamentvolle Schöne aus dem Süden, half jedem in den Sattel. Und das war schon eine Mark wert.
    Unbemerkt von den meisten war während der bescheidenen Vorstellung auch Horst Hartung zum Zigeunerlager gekommen. Er erschien zu Pferde, so, wie man ihn kannte, in hellen Reithosen, braunen Stiefeln und einer karierten Jacke. Auf den braunen Haaren trug er eine braune Sportmütze. Bei dem Stand für Tischwäsche stieg er ab und warf seinem Pferd die Zügel über den Kopf. Es blieb stehen, scharrte mit dem rechten Vorderhuf im Gras und sah dann mit hochgestellten Ohren auf die lodernden Lagerfeuer neben dem Manegenrund.
    Auf der Sandbahn trabten die vier Pferde. Immer im Kreise, mit hängenden Köpfen, geduldig und im dressierten Schritt. Zugan Kaiman stand in der Mitte, ließ ab und zu die lange Peitsche knallen, schrie: »Hoi! Hoi!« und verbreitete damit Spannung. Gleich mußten die Zigeunerpferdchen losrennen – Peitschenknallen und Schreie, das mußte sie wild machen. Aber sie trabten lammfromm weiter, hoben nur ab und zu den Kopf und blähten die Nüstern. Das einzige Zeichen von Temperament.
    Hartung lehnte sich an einen der Wohnwagen und beobachtete die armen Pferde. Von Pferden verstand er so viel, daß man in Barsfeld behauptete, wenn es eine Seelenwanderung gäbe, müßte Horst Hartung früher ein Pferd gewesen sein. Seine Zucht war berühmt, und seine beiden Springpferde kannte die ganze Welt. In der Wohnhalle seines Hauses blitzten in meterlangen Glasschränken die errittenen Trophäen: Becher, Kelche, Teller, Pokale, Medaillen, Figuren, eine Galerie von Silber und Gold. »Er denkt sogar wie ein Pferd«, behaupteten die Barsfelder. »Deshalb heiratet er auch nicht. Was soll eine Frau mit einem Mann, der im Bett wiehert?«
    Das war zwar übertrieben, aber eines stimmte: H.H. war der eisernste Junggeselle zwischen Hamburg und Münster. Warum – darüber sprach er nicht. Im Wirtshaus hatte man versucht, seinen Pferdepfleger und Vertrauten Pedro Romanowski auszuhorchen, aber Romanowski, Ostpreuße, in Berlin aufgewachsen, starrte nur dumpf ins Glas, sagte: »Leckt mich …« und schwieg wieder. Aber soviel bekam man doch heraus: Irgendwann einmal war Horst Hartung verlobt gewesen, eine Komteß soll es sogar gewesen sein, aber die große Liebe zerbrach an den Pferden. Immer unterwegs, immer Turniere, immer nur Pokale sammeln, Ruhm und Anerkennung, das war zuviel gewesen. Eine junge Frau will geliebt werden, aber nicht immer nur ihren Geliebten im Sattel sehen, zwar mit Siegeslorbeeren umkränzt, doch weit von ihrem Bett. Seitdem ging H.H.
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