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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lagen auf der Wiese, die Tierärzte bemühten sich um sie. Dann hörte man vier peitschende Schüsse.
    Noch nie hatten so viele Männer geweint wie an diesem Morgen.
    Das Turnier am nächsten Tag fand statt. Aber es wurde kein Pokal ausgesprungen. Es wurde die erschütterndste Trauerfeier, erschütternd darum, weil hier zum erstenmal der Mensch ein Tier ehrte, wie er sonst nur Helden zu ehren pflegt.
    Alle Hindernisse des Parcours waren mit schwarzen Tüchern zugedeckt, die Militärkapelle spielte einen Trauermarsch. Und dann öffnete sich die Schranke, und Soldaten in Paradeuniform, Trauerflore um den Arm, marschierten in das Stadion. Sie trugen Schilder mit den Namen der getöteten Pferde – eins hinter dem anderen, eine lange, bedrückende Reihe.
    Voraus aber, allein, gesattelt wie zum Springen, aber mit hochgebundenen Bügeln, geführt von Romanowski, um dessen Kopf ein dicker Verband prangte, ging Laska mit gesenktem Kopf an den schweigenden Menschen vorbei. Die Namensschilder folgten ihr.
    Pierrot.
    Ladylike.
    Mentor.
    Shadow.
    Heidi.
    Abdal.
    Ingelore.
    Ratna.
    Namen, die die ganze Welt kannte, die auf allen Turnierplätzen zu Hause waren, die Siege ersprangen, Pokale gewannen, das Siegesband am Ohr trugen, die Nationalhymne ihres Landes hörten, im Jubel der Menschenmassen ihre Ehrenrunde trabten.
    Pferde.
    Der älteste Freund des Menschen unter den Tieren. Sein Begleiter seit Jahrtausenden. Auf seinem Rücken wurde die Welt erobert.
    Was wäre der Mensch ohne das Pferd geworden?
    Langsam marschierten die Soldaten mit den von schwarzen Schleiern umrahmten Namensschildern um das Stadion. Als sie das weite Rund verlassen hatten, stand nur noch Laska auf dem Rasen. Von der Tribüne – sie war aus Holz gebaut, hatte beim Erdbeben nur geschwankt, war aber stehengeblieben – ging Hartung in den Parcours hinein. Er band Laska den Trauerflor, den sie an beiden Stirnseiten trug, zurück, führte sie zur Starterfahne und schritt dann langsam die Hindernisse ab. Er zog die Reitspur, die an diesem Tage neununddreißig Pferde galoppieren sollten, zu Fuß hinunter, blieb an jedem Hindernis stehen, grüßte und ging weiter. Starr, wie aus Gold gegossen, stand Laska am Start. Nur ihre großen klugen braunen Augen folgten ihrem Herrn.
    Das letzte Hindernis. Hartung hob die Hand, und Laska trabte an, fiel in den Aufgalopp und setzte mit wehenden schwarzen Schleiern über den ersten Oxer.
    Ein Pferd sprang allein für seine toten Kameraden. Ohne Reiter, ohne Applaus, sprang über die schwarz abgedeckten Hindernisse, und wer das sah, dem schossen die Tränen in die Augen.
    Schweigen lag über den Menschen, als Laska das letzte Hindernis nahm. Schweigen begleitete sie hinaus, wo Angela sie in Empfang nahm und das Gesicht in ihrem schweißnassen Fell vergrub. Schweigend verließen die Menschen das Stadion. Sie kamen zurück in ein zerstörtes Land, wo Bulldozer die Trümmer umpflügten und Tausende nach Vermißten und Toten suchten.
    »Das war Laskas schwerster Parcours«, sagte Hartung zu Fallersfeld. »Und ihr letzter.«
    »Wir überschlafen das noch, Horst.«
    »Nein. Es ist endgültig. Wann fliegen wir zurück?«
    »In fünf Tagen.« Fallersfeld kaute an der Unterlippe. Das Drama von Manila würde er nie verwinden. »Mit leichtem Gepäck, wir haben ja nur noch zwei Pferde.«
    »Fünf Tage. Das müßte reichen.«
    »Wofür?«
    »Um Ihnen zu beweisen, wie ernst es mir ist mit dem Aufhören. Ich werde Angela endlich heiraten.«
    »Hier in Manila?«
    »Ja.«
    »Auf einmal so eilig?«
    »Ich habe Angela versprochen, vom Tage der Hochzeit ab nicht mehr auf einem Turnier zu springen. Jetzt löse ich dieses Versprechen ein, und es kann gar nicht schnell genug geschehen. Baron«, er umfaßte Laskas Hals, »das war unser letzter Parcours. Komm, mein Mädchen.«
    Er ging an ihm vorbei, den Arm noch um Laskas Hals gelegt, und wie sie so der Sonne entgegenschritten, war es ein Bild, das an Schönheit nicht mehr zu überbieten war.
    Fallersfeld fiel das Monokel aus dem Auge und zerschellte auf der Erde.
    Es war das zweitemal in seinem Leben.
    Horst Hartung und Angela Diepholt heirateten in der kleinen, altspanischen Kirche San Christofero in der Altstadt von Manila.
    Reiter aus neun Nationen bildeten vor der Kirche das Spalier. In dieser Gasse stand Laska, blank geputzt, mit bunten Bändern in der Mähne, zwischen den Ohren einen weißen Schleier und im Maul einen riesigen Blumenstrauß. Romanowski paßte neben ihr auf, daß sie die
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