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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kalter Angstschweiß. Ich zittere ja. Ich zittere vor Angst. Laska, mein Mädchen, mein liebes Mädchen, ich war ein Narr, ich hätte bezahlen sollen, jetzt ist es zu spät.
    Es war der Augenblick, in dem er hätte schreien können, in dem seine Nerven versagten, in dem er nichts mehr war als ein geschütteltes Angstbündel.
    Laska.
    Noch zwei Hindernisse.
    Das letzte.
    Mario Albertino atmete ganz ruhig durch. Im Visier, im Fadenkreuz, im Auge des Todes hatte er Hartungs Kopf. Das Funkgerät neben ihm schwieg. Der Tod braucht keine lauten Worte.
    Hartung beugte sich über Laskas Kopf. Ihre Ohren spielten nervös, ihr Kopf, sonst gestreckt, schob sich hoch. Ihr Instinkt, ihr unglaubliches Gefühl sagte ihr, daß etwas nicht stimmte, daß ihr Herr auf ihrem Rücken nicht mehr ihr Herr war, und es war anders als in Tokio, wo er mit gebrochenem Schlüsselbein ritt, ganz anders … Der Strom der Angst ging von Hartung auf Laska über. Es war ein Rätsel, das niemand lösen konnte.
    Das letzte Hindernis.
    Mario Albertino krümmte langsam den Finger. Druckpunkt. Groß war Hartung im Kreuz. Jetzt der Sprung – auf dem Scheitel des Sprunges wurde abgedrückt …
    Und da geschah es. Es kam so plötzlich, daß die dreißigtausend Zuschauer erst aufschrien, als es schon vorbei war.
    Laska brach aus. Mitten im Angalopp machte sie eine Wendung, Rasenstücke wirbelten hoch, der goldene Körper wirbelte zur Seite und raste neben dem Hindernis vorbei zum Ausritt.
    Zum erstenmal in ihrem Leben hatte Laska ein Hindernis verweigert.
    Sie hatte Hartung das Leben gerettet.
    »Ich kann nichts dafür!« schrie oben an der Anzeigetafel Mario Albertino in das Funkgerät. »Ich hatte ihn genau im Visier. Chef, ich hätte ihn getroffen. Wer denkt denn an so etwas …«
    »Sei still.« Die Stimme war erregt, dieser Ritt hatte sogar den Commendatore Nerven gekostet. »Er hat vier Fehler gemacht. Italien hat gesiegt. Wir werden statt zwei Millionen Lire fünf kassieren. Dafür darf er leben. Pack ein und komm herunter.«
    Als Hartung aus dem Stadion galoppierte, schweißüberströmt und mit Tränen in den Augen, raste er an einem fassungslosen Fallersfeld vorbei. Er stand da, mit leerem linken Auge, sein Monokel lag zerbrochen auf der Erde.
    Auch das war das erstemal. In der Hand hielt er wie eine traurige Fahne das Wildlederläppchen.
    »Ich werde dieses Pferd küssen«, stammelte er, »und wenn es mir die ganze Visage zerbeißt!«

Das Erdbeben von Manila
    Moro Memanuk galt überall als ein Idiot.
Wenn er durch die Straßen Manilas schlurfte, auf dem großen Markt bettelnd seine Hände ausstreckte oder im Hafen die Fremden mit einem hüpfenden Tanz begrüßte, lachten die Filipinos und riefen: »Seht da! Moro ist von den bösen Geistern befallen!« Dann neckten sie ihn, zogen an seinen zotteligen Haaren, äfften seine Bewegungen nach und drückten ihm statt Münzen Knöpfe oder sogar Hundedreck in die Hand.
    »Gott wird euch strafen!« heulte Moro dann und hob die Arme anklagend zum Himmel. »Gott vergißt das nicht! Denkt an mich! Denkt an mich!«
    Niemand nahm ihm die Drohungen übel. Ein armer Idiot, dieser Memanuk. Taucht überall auf, wo etwas los ist, und davon lebt er ja auch – bei Volksfesten, bei der Staatsgründungsfeier, beim Präsidentengeburtstag, bei allen Fußballspielen, in den kleinen Arenen der Hahnenkämpfe, an Markttagen, beim Karneval, bei der Wahl der ›Miss Philippinen‹, kein Fest ohne Moro Memanuk.
    »Eigentlich müßte er schon Millionär sein«, lachte selbst der Polizeipräsident von Manila. Auch im Präsidium war Moro bekannt wie ein gestreift lackierter Hund. »Bei diesen Trinkgeldern! Gestern hat er vor einer amerikanischen Reisegruppe getanzt und so viel geschenkt bekommen, wie ein Polizeiinspektor im halben Jahr verdient. Aber dann versäuft er alles wieder und liegt acht Tage betäubt am Straßenrand.«
    In diesen Tagen hatte Moro Memanuk Hochsaison. Zum erstenmal fand in Manila ein internationales Reit- und Springturnier statt. In Grace Park, nördlich der Stadt, wo die weißen Villen der Reichen standen, Häuser im säulenverzierten spanischen Kolonialstil, von paradiesischen Gärten umgeben, hatte man mit viel Geld, Mühe und Phantasie einen Reitplatz gebaut und erwartete nun die Elite der Reiter aus aller Welt. Da der Staatspräsident selbst eingeladen hatte und das Turnier somit eine fast diplomatische Angelegenheit wurde, sagten auch die Nationen zu, die sonst nie nach Manila gekommen wären, um einen
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