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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an!« brüllte Kaiman und hieb die Stiefelabsätze in die Flanken der Stute. »Reiten Sie bloß los, sonst kriege ich das Vieh nicht mehr von der Stelle.«
    Es war wirklich so, als warte Laska auf Hartungs Abreiten. Als er im leichten Trab in die Nacht hineinritt, folgte sie ihm, als säße Zugan gar nicht auf ihrem Rücken. Sie stach die Beine vor, holte Hartung ein und setzte sich neben ihn. Dann spielte sie mit den Ohren, betrachtete die Stute, auf der Hartung saß, wieherte dunkel und kurz und hatte damit das andere Pferd gewarnt.
    Sieh dich vor, hieß dieser dunkle Laut. Spiel dich nicht auf! Ich liebe den Herrn, ich allein! Wer mir in die Quere kommt, wird erleben, wer der Stärkere ist. Ich bin ungezähmt aufgewachsen, sieh dich vor!
    Auch Hartung verstand dieses kurze Wiehern.
    Zwischen uns wird es noch manchen Kampf geben, dachte er. Nicht alles ist eitel Liebe, wir werden miteinander arbeiten müssen, bis wir schweißgetränkt sind. Du mußt alles vergessen, was du in deinem bisherigen fünfjährigen Leben gelernt hast. Du mußt als Pferd neu geboren werden. Aber wir werden es schaffen, nicht wahr, wir haben aufeinander gewartet, irgendwann mußten wir uns begegnen. Wir werden einmal die Welt das Staunen lehren.
    Wir werden gemeinsam kämpfen und siegen.
    Nicht umsonst heißt du Laska. Laska ist ein tschechisches Wort und heißt ›Die Liebe‹.
    Seite an Seite trabten Hartung und Laska durch die Nacht, als sei es immer so gewesen.
    Zugan Kaiman bekam seine dreitausend Mark, trank noch zwei Gläser Kognak, bewunderte das kleine Gut Hartungs, besichtigte die Ställe, deren schön sterile Sauberkeit er in den höchsten Tönen lobte, begrüßte Pedro Romanowski, der – obgleich Hartung ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte – in einer mit einem Bett und einem Tisch eingerichteten Box im Pferdestall schlief, und ließ es sich gefallen, daß Romanowski ihn mit »Aha, der Roßtäuscher« begrüßte (für dreitausend Mark muß man auch mal schwerhörig sein). Ja, und dann nahm Kaiman Abschied von Laska, warf sich an ihren Hals, heulte wie ein Schloßhund, schrie Worte in einer seltsamen kehligen Sprache und riß sich dann los, mit einer Dramatik, die selbst Romanowski bestaunte.
    Ins Zigeunerlager zurückgekehrt, empfing ihn seine gesamte Sippe wie einen Sieger. Zugan wedelte mit den Geldscheinen, die alte Emelga, die Spezialistin für Bettwäsche und Handlesen war, stieß ein heiseres Geheul aus, Siffa umarmte ihr Väterchen, und der bärenstarke Geza Bodvany rief: »Freunde, das war ein guter Abend! Laßt uns feiern.« Auch die anderen der Sippe fanden, daß Zugan wieder einmal sein Genie gezeigt habe, und umarmten den Alten reihum.
    »Warten wir jetzt ab«, sagte Kaiman, als sie alle im Pferdezelt standen, und blickte auf seine goldene Armbanduhr. »In spätestens drei Stunden ist Laska wieder hier. Buschi« – das war der Sohn von Zugans Schwester –, »du versteckst sie sofort auf der anderen Seite des Flusses im Wald und wartest, bis wir morgen in Steinfels sind.« Er rieb sich die Hände, lachte in die Runde und ließ sich einen Schnaps einschenken. »Das ist das fünfzehnte Mal, daß Laska verschwindet und wieder zurückkommt. Habe ich nicht ein gutes Auge gehabt, meine Lieben, als ich sie dem Roßschlächter in Celle abkaufte? Fohlenfleisch wollte er aus ihr machen, der kleine Idiot! Und was haben wir gemacht? Wir haben mit Laska schon 42.000 Mark verdient. Immer ist das treue Viecherl zurückgekommen.« Er sah wieder auf die Uhr. »Noch drei Stunden, und dreitausend Mark hat sie uns gebracht, mein goldenes Schätzchen!«
    Die Feuer brannten nieder und wurden ausgestampft. In den Wohnwagen erloschen die Propangaslampen. Stille senkte sich über die kleine Zigeunerwagenburg. Schlaf. Zufriedenheit.
    Nur Kaiman und Buschi blieben auf, saßen draußen im Dunkeln am Pferdezelt auf zwei Klappstühlen, rauchten und warteten auf Laska.
    »Ein Grund mehr, eifersüchtig zu werden«, sagte Angela Diepholt. Sie stand im Stall hinter Laska und lehnte sich gegen die zurückgeschobene Gittertür.
    Zwischen Angela Diepholt und Horst Hartung bestand seit fünf Jahren ein merkwürdiges Verhältnis. Sie liebten sich, und während Angela immer wieder ihre Liebe zeigte, wich Hartung ihr aus und flüchtete gewissermaßen zu seinen Pferden. Die bittere Erfahrung seiner ersten großen Liebe war fast zu einem Trauma geworden. »Erst wenn ich vom Pferd falle und nicht mehr aufsteigen kann«, sagte er einmal, »habe
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