Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Hals halte! Sie wieherte, und diesmal klang es anders, lockender, befreiter.
    Die goldschimmernde Stute blieb plötzlich stehen. Ihr Fell dampfte in der Nachtluft, glänzte wie Seide und war wie mit rötlichem Gold überpudert. Hartung streckte die rechte Hand aus. Das Pferd nickte und kam langsam näher. Drei Schritte vor dem fremden Menschen blieb es stehen und sah ihn an, die Ohren weit zurückgelegt.
    »Weg!« schrie Zugan Kaiman und hüpfte auf beiden Beinen. »Weg, Herr, ein Teufel ist sie! Gleich kommt sie!«
    Und die Stute kam wirklich. Nur galoppierte sie nicht auf den Mann, sondern machte fast zierlich die letzten drei Schritte vorwärts, hob den herrlichen Kopf und legte ihn Hartung dann auf die Schulter. Die heiße Luft aus ihren Nüstern blies ihm in den Nacken, der Schweiß des goldenen Felles näßte seine Wange.
    Hartung griff in die Rocktasche, holte eine Mohrrübe heraus und hielt sie hoch. Mit weichem Maul nahm die Stute den Leckerbissen und begann zu kauen. Ihre Augen sahen dabei Hartung mit fast menschlicher Dankbarkeit an.
    »So ein Aas!« schrie Zugan Kaiman vom Zelt. »So ein Schauspieler. Mein Herr, gehen Sie weg! Sie versauen mir mein bestes Pferd.«
    Hartung und die Stute blickten sich stumm an. Nur wer Pferde kennt und liebt, wer ihre Seele erforscht hat und weiß, daß auch sie zu Empfindungen fähig sind, nur wer wie die Araber in einem Pferd eine Gnade Allahs sehen und behaupten kann: Aus der Sonne, ihr Götter, habt ihr ein Pferd gemacht! – nur der kann verstehen, was in diesen Sekunden zwischen Hartung und der goldschimmernden Stute vorging.
    Es war Liebe auf den ersten Blick, es war ein stummer Bund fürs Leben.
    »Was kostet sie?« fragte Hartung und legte beide Hände um die weichen Nüstern. Zärtlich leckte ihm die Stute die Handflächen.
    »Kostet?« Zugan Kaiman rannte wie ein Irrer in die Manege. »Unverkäuflich! Mein Broterwerb ist sie. Was soll ich ohne sie?«
    »Nennen Sie einen Preis!«
    »Sie ist wert soviel wie hundert andere normale Pferde.«
    »Sie ist soviel wert wie ein Pferd.«
    »Sie kann tanzen, im Walzertakt, Foxtrott, Samba, Cha-Cha-Cha!«
    »Sie soll bei mir leben wie ein Pferd.«
    Zugan Kaiman verdrehte die Augen, als würge ihn jemand. »Fünftausend«, sagte er heiser. »Und mein Herz bricht dabei.«
    »Zweitausend. Und Ihr Herz jubelt.«
    »Soll ich mich selbst umbringen?« brüllte Kaiman. »Soll ich mich jedesmal, wenn ich in einen Spiegel schaue, anspucken? Viertausend, und ich weine sechs Wochen lang.«
    »Dreitausend! Auf die Hand. Und Sie lachen ein ganzes Jahr.«
    »Dreitausend. O heiliger Sankt Georg! O blutende Madonna von Toledo! Hört euch diesen Barbaren an! Er zerreißt mich in Stücke!« Zugan Kaiman begann zu weinen. Wirklich, dicke Tränen rollten aus seinen Augen. Fasziniert von diesem Schauspiel starrte Hartung ihn an. »Dreitausend. Meine Kinder werden mich verachten, meine Frau wird sich mir entziehen! Aber ich bin ein guter Mensch, viel zu gut für diese Welt! Nehmen Sie Pferd für dreitausend. Sie machen mich zwanzig Jahre älter vor Kummer!«
    Er streckte die rechte Hand aus, und Horst Hartung schlug ein. Der Kauf war perfekt – wie überall auf der Welt galt der Handschlag als unlösbarer Vertrag über einen Pferdekauf. Zugan Kaiman hörte auf zu weinen und wurde sachlich wie ein Finanzbeamter. »Wo bekomme ich Geld?«
    »Kommen Sie mit zu mir. Ich reite voraus.«
    »So machen wir es. Ich folge Ihnen mit Laska.«
    »Laska heißt sie also?« Hartung streichelte die Stute zwischen den Augen. Sie preßte den Kopf gegen seine Hände, eine Liebkosung, in der Kraft und Anschmiegsamkeit zugleich lagen. »Willst du zu mir, Laska?«
    Die Stute schien ihn zu verstehen. Sie ging ein paar Schritte zurück und scharrte im Sand. Die Nüstern hoben sich, es war, als lächelte sie.
    »Das werde ich dir abgewöhnen«, sagte Hartung ruhig. »Von heute ab bist du kein Zirkuspferd mehr. Du sollst laufen und springen lernen. Du sollst leben wie ein richtiges Pferd.«
    »Oh, sie kann springen!« rief Kaiman und klatschte in die Hände. »Über jeden Zaun springt sie! Ist das nicht viertausend wert?«
    »Dreitausend, und keinen Pfennig mehr.« Hartung drehte sich um und ging zu seinem wartenden Pferd. Es sah zu der fremden Stute hin, die Hartung folgte, als gäbe es keinen Zugan Kaiman mehr, der schimpfend neben ihr herlief. Erst als Zugan aufsaß, warf Laska den Kopf in den Nacken und stemmte die Vorderbeine ins Gras.
    »Sehen Sie sich den Teufel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher