Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Dunkle Halunken: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
1
Hier begegnen wir unserem Helden, und der Held trifft eine Waise im Sturm und lernt Mister Charlie kennen, einen als Schreiberling bekannten Herrn
    Der Regen strömte so heftig auf London herab, dass er wie tanzende Gischt wirkte – die einzelnen Tropfen schienen in der Luft um Vorherrschaft zu ringen und darauf zu warten, auf den Boden zu stürzen. Die Abflüsse und Abwasserkanäle waren mehr als nur voll, sie quollen über und würgten hoch, was sich darin angesammelt hatte: Schmutz und Schmiere, tote Hunde, Katzen, Ratten und Schlimmeres. Der ganze Unrat, den die Menschen losgeworden zu sein glaubten, kehrte in die Welt zurück. Er drängelte in den Fluten und eilte dem über die Ufer tretenden, immer gastlichen Fluss namens Themse entgegen, der schäumte und brodelte wie eine grässliche Suppe in einem schrecklichen Kessel. Der Fluss selbst schien wie ein sterbender Fisch nach Luft zu schnappen. Doch die Eingeweihten wussten über den Londoner Regen Bescheid: Sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nie, die stinkende Stadt zu säubern. Er schaffte es höchstens, eine weitere Schicht Dreck freizulegen. Und in dieser schmutzigen Nacht fanden angemessen schmutzige Ereignisse statt, die nicht einmal der Regen fortspülen konnte.
    Eine von zwei Pferden gezogene elegante Kutsche platschte durch die Straßen und quietschte noch dazu, denn ein Stück Metall saß an der Achse fest und schrie. Es war nicht der einzige Schrei, der von dieser Kutsche ausging, ein zweiter entrang sich der Kehle eines Menschen, als die Kutschentür aufsprang und eine Gestalt in den Rinnstein taumelte, der sich in dieser Nacht in eine Fontäne verwandelt hatte. Zwei weitere Gestalten sprangen aus der Kutsche und fluchten in einer Sprache, die ebenso bunt war wie die Nacht dunkel, und sogar noch schmutziger. Im strömenden Regen, durch den das flackernde Licht eines Blitzes zuckte, versuchte die erste Gestalt zu fliehen, stolperte aber und fiel, und die beiden anderen stürzten sich auf sie. Wieder ertönte ein Schrei, in dem Aufruhr und Lärm kaum zu hören, doch er schien ein seltsames Echo zu bekommen, das aus dem Knirschen von Eisen bestand. Ein naher Gullydeckel rutschte zur Seite, und zum Vorschein kam ein dünner junger Mann, geschwind wie eine Schlange.
    »Lasst die junge Frau in Ruhe!«, rief er.
    Ein Fluch erklang im Dunkeln, als einer der Angreifer auf den Rücken fiel, weil jemand die Beine unter ihm weggetreten hatte. Der junge Mann war alles andere als ein Schwergewicht, aber er schien überall gleichzeitig zu sein und schlug in alle Richtungen zu, wobei ein Schlagring – immer ein guter Helfer, wenn man allein gegen eine Übermacht antritt – seinen Hieben Nachdruck verlieh. In diesem Fall bestand die Übermacht aus zwei Männern, und sie ergriffen die Flucht. Der junge Bursche blieb ihnen dicht auf den Fersen, und seine Fäuste hämmerten auf die Fliehenden ein. Doch dies war London, und es regnete, und die Männer stürmten durch Gassen und Seitenstraßen und versuchten ihre Kutsche wiederzufinden. Die Erscheinung aus der Kanalisation verlor sie schließlich aus den Augen und kehrte mit der Geschwindigkeit eines Windhunds zu der geplagten jungen Frau zurück.
    Er ging neben ihr in die Hocke, und zu seiner großen Überraschung ergriff sie ihn am Kragen und flüsterte mit ausländischem Akzent: »Sie wollen mich zurückbringen, bitte hilf mir …« Woraufhin der junge Mann sogleich aufsprang und sich argwöhnisch umsah.
    Ausgerechnet in dieser Gewitternacht geschah es, dass zwei Herren, die durchaus etwas vom Londoner Schmutz wussten, durch diese Straße gingen beziehungsweise wateten. Sie hatten die Hüte tiefer gezogen, was ihnen bei diesem Regenguss allerdings wenig nutzte, denn das Wasser kam nicht nur von oben, sondern auch von unten, weil es vom Boden hochspritzte. Wieder flackerte ein Blitz, und einer der Herren fragte: »Liegt dort jemand im Rinnstein?« Vielleicht hörte der Blitz die Worte, denn er gleißte noch einmal vom Himmel und zeigte den beiden ein Bündel, eine Gestalt, eine Person am Boden.
    »Gütiger Himmel, Charlie, es ist eine junge Frau!«, entfuhr es einem der Herren. »In den Rinnstein geworfen, nehme ich an, und völlig durchnässt. Komm!«
    »He, was tun Sie da, Mister?«
    Im Licht eines Pubfensters, das kaum mehr als Dunkelheit zeigte, entdeckten der Herr namens Charlie und sein Freund einen Burschen, nicht älter als siebzehn, aber mit der Stimme eines Mannes. Eines Mannes, der offenbar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher