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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wiegte sich der ganze Körper wie nach einer unhörbaren Melodie. Sie war auf allen Turnierplätzen bekannt, stand vor den Springprüfungen am Rande der Abreiteplätze und beobachtete die Reiter mehr als die Pferde. Später tauchte sie dann auf den Haupttribünen auf, immer auf den teuersten Plätzen, von den Männern bewundert, von den Frauen mit hochgezogenen Augenbrauen mißbilligend gemustert.
    Man wußte von ihr eigentlich nur, daß sie Italienerin war, genauer Sizilianerin, aus Palermo, der Stadt der heißesten Liebe und der blutigsten Blutrache. Sie mußte reich sein, aber woher ihr Geld kam, war ebenso unbekannt wie ihr sonstiges Leben. Zu keiner Zeit sah man sie in männlicher Begleitung auf den Turnieren, sie kam allein und ging allein. Was man munkelte, von ihren Nächten nämlich, war und blieb Gerücht. Immer lächelte sie, still in sich versunken, geheimnisvoll.
    Auch an diesem Tag, einem sonnigen Vormittag, stand Luisa Gironi schon lange vor Öffnung des Turnierplatzes von Aachen an der Holzeinzäunung des Abreitefeldes und sah den Vorbereitungen der Reiter zu. Die deutsche Equipe hatte gerade ihre Arbeit aufgenommen. Die Pferde wurden im leichten Arbeitstrab locker gemacht, galoppierten an, wurden durch Tempowechsel in Trab und Galopp, Paraden, Rückwärtsrichten und Hinterhandwendungen gehorsam, gelöst und geschmeidig für den schwierigen Parcours.
    Fallersfeld hatte beide Hände in den Taschen seiner braunweiß karierten Reithose versenkt und die Sportmütze tief ins Gesicht gezogen. In ihrem Schatten sah er hinüber zu der jungen Frau mit den langen, im Morgenwind wehenden schwarzen Haaren und der großen, runden Sonnenbrille. Sie war orangefarben wie ihr enger, kurzer Rock. Lange, schlanke Beine, ein Körper wie ein Modell, unter dem spitzenähnlichen Stoff der Bluse die Wölbungen der Brüste. Fallersfeld zog deutlich hörbar die Luft ein.
    »Was will die denn hier?« fragte er den Platzwart Fritz Schmitz.
    Schmitz sah hinüber zu Luisa Gironi. Sie hatte die Arme auf die obere Latte des Zaunes gelegt, warf jetzt den Kopf zurück und lachte, als einer der Reiter bei einem Probesprung schief im Sattel landete.
    »Dat is en Pferdche, wat?« sagte Schmitz anerkennend. »Die is mir lieber als die Halla.«
    »Was will sie hier?« fragte Fallersfeld kurz.
    »Die steht schon seit 'ner halben Stunde rum.« Fritz Schmitz blickte auf seine Uhr. »Dat hätten Sie mal sehen soll'n, die Italiener! Dat war dat reinste Schaureiten. Aber die, keine Miene verzojen, wie 'ne Puppe im Schaufenster. Und der Brasilianer hat sojar en Jespräch mit ihr bejonnen. Und wat macht die? Läßt den steh'n. Jeht einfach weiter, een paar Meter, und stellt sich wieder hin.«
    Luisa Gironi hob den Kopf. Sie nahm die Arme vom Zaun, ihr Körper spannte sich.
    Auf den Platz kam, zu Fuß, Horst Hartung. Hinter ihm führte Pedro Romanowski am kurzen Zügel ein goldbraun glänzendes, tänzelndes, unruhiges Pferd – Laska.
    »Aha!« sagte Fallersfeld. »Nun wissen wir es! Horst Hartung soll abgeschossen werden. Auch das noch! Schmitz, wenn ich vorzeitig weiße Haare bekommen habe, dann nur, weil ich so wahnsinnig war, mich zum Vater dieser Reiter zu machen. Und sehen Sie sich Laska an, verdammt, mit dem Gaul will H.H. über den Parcours! Das ist kein Pferd mehr, das ist bloß noch ein hinterhältiges Nervenbündel.«
    Er wandte sich ab, vergrub die Hände noch tiefer in den Hosentaschen und ging Horst Hartung entgegen. Romanowski hatte Laska abseits geführt, sie beobachtete mit ihren schönen, großen Augen die anderen Pferde, blähte die Nüstern und schnaubte verhalten, aber voll Kampfeslust. Mit dem rechten Vorderhuf kratzte sie das Gras auf.
    »Nu dreh nich wieder durch, olles Luder«, sagte Romanowski leise und zog Laskas Kopf herunter. »Auswechseln tut er dir, det sach ich! Warum haste ihn och jebissen, du Rindviech? Beißt man 'nen Equipenchef?«
    Fallersfeld und Horst Hartung trafen sich mitten auf dem Abreiteplatz. Der Baron hatte kurz vorher sein Monokel ins linke Auge geklemmt, ein Zeichen, daß er amtlich und unter Vermeidung des vertrauten Du mit Hartung sprechen wollte. Man kannte das in der deutschen Equipe: Wenn Fallersfeld sein Monokel zog, hieß es: Jetzt holt Papa die Rute 'raus!
    »Wer ist diese Frau?« fragte Fallersfeld ohne Einleitung. Seine Stimme hatte den zackigen Klang angenommen, von dem alte Kavallerieoffiziere nie loskommen. Hartung atmete auf. Diesmal also nicht Laska, dachte er. Eine Frau. Welche
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