Des Sieges bittere Tränen
die Trense und ging mit Laska abseits. »Wat biste bloß für'n Bock?« sagte er heiser. »Nu benimm dich schon, du olle Zippe!«
Fallersfeld war zufrieden. Seine Equipe hatte alle Chancen, den Großen Preis zu gewinnen. Die Pferde waren topfit, die Reiter gesund, und außerdem war Angela Diepholt angekommen. Hartung wußte es noch nicht, sie saß im weißen Gebäude der Turnierleitung neben Graf Hellberg und ließ sich erzählen, daß man mit einer Sensation, allerdings im negativen Sinne, rechnete.
»Ich verstehe Fallersfeld nicht«, sagte Graf Hellberg. »Ein Pferd wie Laska gehört noch nicht auf eine solche internationale Entscheidung. Sieben Jahre – zu jung. Dann die Eigenwilligkeit, die Streitsucht, der ständige Kampf um die Disziplin, das ist kein Turnierpferd. Aber Hartung schwor darauf, und Fallersfeld läßt sich überrollen! Hartung ist genauso dickköpfig wie sein Pferd.«
»Wem sagen Sie das?« Angela blickte über den sonnenüberfluteten Platz. Ein Farbenspiel, das fast die Augen blendete. Eine Musikkapelle der Bundeswehr war auf dem Parcours eingezogen und spielte Märsche und Schlager. Die Erwartung stieg, auf der Tribüne nahmen die Ehrengäste Platz. Minister, der Oberbürgermeister von Aachen, der Regierungspräsident und – inkognito – eine königliche Hoheit eines westeuropäischen Landes. Die Turnierleitung gab die ersten Durchsagen, die Stimme aus dem Lautsprecher übertönte die Musikkapelle. Graf Hellberg blickte erwartungsvoll auf die automatische Uhr im Kontrollzentrum des weißen Turmes.
Noch zwanzig Minuten bis zur Eröffnung.
Das A-Springen. Der Nachwuchs. Dann folgte der Große Preis von Aachen mit den internationalen Stars im Sattel.
Und Horst Hartung auf Laska.
Graf Hellberg zwang sich, nicht daran zu denken. Vom Abreite- und Warteplatz kamen die Meldungen: Alles in Ordnung. Keine besonderen Vorkommnisse. Romanowski hat Laska isoliert. Sie benimmt sich wie eine Verrückte, seitdem die Musik begonnen hat.
»Was soll das?« schrie Hellberg nervös ins Telefon. »Sollen wir wegen diesem Gaul auf dem Kamm blasen lassen?«
Zehn Minuten vor der Eröffnung stand plötzlich Luisa Gironi vor Horst Hartung. Niemand hatte sie kommen sehen, nicht einmal der wachsame Romanowski. Sie war plötzlich da, wie aus dem Boden gewachsen. Ihrer Stimmung entsprechend trug sie ein enges schwarzes Kostüm und einen großen, breitrandigen roten Hut. Ihre Sonnenbrille war ebenfalls schwarz. In der rechten Hand hielt sie eine kleine Pistole, ein Spielzeug fast. Horst Hartung, der gerade noch einmal die Länge der Steigbügelriemen maß, fuhr herum, als er die ernste Stimme hinter sich hörte.
»Ich habe gewartet«, sagte Luisa Gironi mit einem traurigen Unterton. »Ich habe sogar gebetet, daß du kommst. Du hast mich tödlich beleidigt.« Sie hob die Waffe und winkte mit der linken Hand Romanowski, neben Hartung zu treten.
»Die is verrückt!« sagte Romanowski und ließ Laskas Zügel los. Gehorsam stellte er sich neben Hartung und hob die Arme.
»Luisa, was Sie tun, ist wirklich Wahnsinn«, sagte Hartung laut.
»Du bist der erste Mann, der mich so beleidigt hat.«
»Man wird den Schuß hören und Sie verhaften. Wollen Sie als Mörderin im Zuchthaus enden?«
»Ich werde zweimal schießen. Wir sterben zusammen.«
Vom Turnierplatz ertönte die Stimme des Oberbürgermeisters. Er begrüßte die Ehrengäste und eröffnete das Springturnier. Tausendfaches Händeklatschen. Musik. Laska hob den Kopf, spitzte die Ohren und blähte die Nüstern.
Horst Hartung blickte in die kleine, dunkle Mündung. Er sah, wie Luisa den Zeigefinger krümmte. Ihre Hand war ganz ruhig. Der Schuß mußte ihn zwischen die Augen treffen, wenn sie die Pistole in dieser Richtung ließ.
Hartung riß den Mund auf. Er wollte schreien, um das langsame Krümmen des Fingers aufzuhalten. Aber er brachte keinen Ton heraus. Dafür hörte er überlaut die Stimme Romanowskis.
»Die macht ja ernst, det dämliche Frauenzimmer!« schrie er. »Herrchen, jetzt passiert's!«
Er warf sich mit einem heftigen Schwung vor Hartung und verdeckte ihn mit seinem breiten Körper. Es war genau die Sekunde, in der Luisa Gironi abdrücken wollte. Der Sprung Romanowskis verwirrte sie, sie ließ die Pistole sinken, machte ihrerseits einen Sprung zur Seite, um aus einem anderen Winkel Hartung doch noch treffen zu können, und prallte dabei gegen Laska, die zwei Schritte zurückgetänzelt war. Mit dem Ellenbogen stieß sie das Pferd in die Flanke und
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