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Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)

Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)

Titel: Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Autoren: Cairiel Ari
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Prolog
     
    Er hob den Kopf und blickte in den milchig weißen Himmel. Schneeflocken rieselten auf seine Haut und ließen ihn blinzeln, wenn sie ihm in die Augen fielen. Seine Schritte wurden langsamer, bis er schließlich stand.
    Schnee. Schon wieder. Oder immer noch? War das alles nur ein furchtbarer Traum, aus dem er hoffentlich bald erwachen würde?
    Er war so weit gereist, so weit gegangen. Jenseits der kalten Schneewüste hatte er zum ersten Mal in seinem Leben Gras sprießen und Knospen erblühen sehen. Entzückt hatte er stundenlang davor gesessen, fasziniert vom Erwachen der Natur und all dem Leben, das ihn umgab. Staunend sah er die Welt grün werden. Aus den kahlen Zweigen der Bäume sprossen Blätter, so als wären sie aus einem langen Schlaf erwacht, um sich den warmen Sonnenstrahlen entgegenzustrecken.
    Doch er hatte keine Zeit zum Staunen. Unaufhaltsam war er weitergegangen, trotz all der neuen, wundervollen Eindrücke. Nichts durfte ihn davon abbringen, seinen Auftrag zu erfüllen. Er hatte Ebenen und Wälder durchquert. Von Tag zu Tag war es heißer geworden, das gerade noch saftige Gras gelb und dörr. Die Hitze hätte ihn fast umgebracht, doch er hatte sich seine lederne Kapuze tiefer ins Gesicht gezogen, damit ihm die Sonnenstrahlen nicht die weiße Haut verbrannten, und war weitergewandert. Er durfte nicht aufgeben.
    Zu seiner Erleichterung hatte die Hitze nach einigen Wochen wieder nachgelassen. Gleichzeitig hatten die Blätter an den Bäumen begonnen, ihre Farbe zu wandeln und in Rot- und Gelbtönen auf die Erde zu fallen.
    Je weiter er sich von seiner Heimat entfernte, desto unsicherer wurde er. Lange hatte er den Kontakt zu den Menschen gemieden, doch bald ließ es sich nicht mehr vermeiden. Er musste wissen, ob er sich noch auf dem richtigen Weg befand.
    Jadestadt? , hatte er gefragt und seine Stimme dabei angehoben, wie die Menschen es immer taten, wenn sie etwas wissen wollten.
    Argwöhnische Blicke musterten ihn. Vermutlich waren die meisten von ihnen noch keinem Graublütigen begegnet. Stumm deuteten sie nach Nordwesten und wandten sich ab. Es schien ihm so, als wollte keiner mit ihm gesehen werden.
    Es war ihnen nicht zu verdenken. Mit seiner weißen Haut und seinen nachtschwarzen Augen sah er ganz anders aus als die rosigen Menschen. Und erst ihre farbigen Haare! Gelb, rot oder braun wuchsen sie auf ihren Häuptern und bei einigen von ihnen auch im Gesicht, fast wie bei Tieren. Er schauderte.
    Den Hinweisen der Menschen folgend, war er weiter gewandert. Die Tage wurden immer kürzer und die Nächte kälter. Dann fing es an zu schneien - und es hatte seither nicht mehr aufgehört. Der Schnee hatte die Welt wieder in seinem kalten Griff und es kam ihm so vor, als wäre er nie losgezogen.
    Keuchend sah er sich um. Überall waren Bäume. Bäume und Schnee. Trotz allem bildete sein Atem keine Wolken. In ihm herrschte eine ebensolche Kälte wie außerhalb seines ausgezehrten Körpers. Auch sein Mantel aus Tierfellen konnte ihn nicht davor bewahren, denn es war die Kälte der Verzweiflung, die ihn umschlungen hielt.
    Vielleicht bin ich bereits zu weit gewandert! Er schnappte nach Luft, als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam. Einmal in seinem Kopf, ließ ihn die Angst nicht mehr los. Vielleicht bin ich in der Nacht, ohne es zu bemerken, an Jadestadt vorbei gegangen!
    Gehetzt drehte er sich einmal um sich selbst. Sein Blick huschte ruhelos umher. Alles sah so schrecklich gleich aus. Wohin sollte er jetzt noch gehen, wo konnte er noch suchen?
    Seine Beine gaben nach, er fiel auf die Knie. Reflexartig gruben sich seine nackten Hände in den Schnee. Feuchte Kälte brannte auf seiner Haut. Er kümmerte sich nicht darum und streckte stattdessen seinen Geist aus. Verzweifelt suchte er nach der vertrauten Präsenz, die ihn seit seinem ersten Atemzug in dieser grausamen Welt umgeben hatte. Schützend und wärmend hatte sie ihn umfangen und war stets da gewesen, egal wohin ihn seine Füße getragen hatten.
    Doch da war nichts. Panik ergriff ihn, als ihm einmal mehr das Ausmaß des Geschehenen bewusst wurde. In seiner Verzweiflung sammelte er all seine verbliebene Kraft, um seinen Geist noch weiter aufzufächern, noch weiter um sich zu tasten.
    Ein sinnloses Unterfangen.
    Er fühlte das verborgene Leben, die kleinen Tiere und Insekten, die sich tief im Erdboden oder unter der Rinde der Bäume vor dem Winter versteckten und schliefen. Aber das, wonach er sich so verzweifelt sehnte, fand er nicht. Sie war
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