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Jack Taylor fährt zur Hölle

Jack Taylor fährt zur Hölle

Titel: Jack Taylor fährt zur Hölle
Autoren: Ken Bruen
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D er Dezember ist ein harter Monat. Scheiß auf die ganze Festvorbereitung. Wenn man allein ist, foppt sie einen an jeder Ecke. Man schlägt ein altes Buch auf und findet eine Liste von Freunden, denen man einst Karten geschickt hat. Jetzt sind sie alle tot oder verschwunden. Der Fernseh ist mit Spielsachen für Kinder vollgestopft, die man nie hatte, und jetzt ist es ein bisschen spät dafür, ein bisschen sehr spät. Das Radio spielt Balladen, die einst mit Bedeutung oder gar Hoffnung befrachtet waren.
    Es heißt, das ganze Ausmaß der Einsamkeit erschließe sich erst in der Küche, wenn man eine Einzelmahlzeit bereite. Alles nur Einzelstücke: eine Tasse, ein Besteck, ein Teller und höchstwahrscheinlich auch nur ein einziger lausiger Plan. Lebe lang genug und entwickle persönliche Eigenschaften, die an Obsessionen grenzen. Sobald man aufgegessen hat, wäscht man den Teller ab. Warum? Wer zum Teufel wird sich beschweren? Soll sich der Scheiß doch eine Woche lang stapeln, und dann wollen wir mal sehen, wem das was ausmacht; er stapelt sich aber nicht, weil man ihn nicht lässt, weil man das nicht kann. Die Rituale, die man entwickelt hat, sind alles, was einen noch mit dem Menschengeschlecht verbindet, und das Schlimmste daran ist, dass man das weiß.
    Mann, ich habe in den vergangenen Jahren einige Heimstätten durchlaufen. Ich hatte eine Wohnung am Kanal, und wenn ich da auch nicht glücklich war, dann doch fast so zufrieden, wie es eben gehen mag. Wurde entmietet und bin in Bailey’s Hotel gezogen, eins der wenigen privaten, die es noch in Galway gibt.
    Dann, infolge eines Falls, in dem ich ermittelt hatte, schien ich endgültig auf den Hund gekommen zu sein und zog in ein Haus im Hidden Valley. Das war prima. Habe ich genossen. Steinfußböden, offener Kamin, Tiefkühltruhe, Nachbarn, Büche r … im Holzrega l … die ganze Mitbürgerkiste. Aber ich hab mir die Sache versiebt und den Fall mit der schlimmsten Beurteilung abgeschlossen, die ich mir in meiner gesamten bewegten Karriere gefallen lassen musste. Das Schuldbewusstsein frisst immer noch an mir. Die Reihe der Toten, die mich wieder und wieder im Schlaf anklagen, sie kommen in schweigendem Grausen, den Blick auf mich gerichtet, und ich zucke und stöhne in vergeblicher Hoffnung auf ein Entkommen.
    Also saufe ich. Ich bin weit über mein Verfallsdatum hinaus gediehen und lebe auf gepumpte Zeit, wenig gepumpte Zeit. Mit mir hätte schon längst Schluss sein sollen. An vielen Tagen wünsche ich mir, es wäre Schluss.
    In den ersten beiden Dezemberwochen war ich trocken. Um bereit zu sein. Ich wusste, dass ich das ganze Fiasko nie nüchtern überstehen würde, und quetschte ein bisschen Wohlverhalten dazwischen. Auch so eine von Alkoholikern gepflegte Illusion. Diese Lügen sind fast so überlebenswichtig wie der Alkohol. Man umarmt sie herzlich wie ein Gebet, und sie kommen mindestens doppelt so sehr von Herzen. Der beständige Regen und die Scheißkälte, die setzen sich in den Knochen fest. Unterwegs war ich mal ernsthaft kokainsüchtig gewesen, aber sogar das verkniff ich mir. Also suchten mich die Kälteschauer und der Schüttelfrost und der Tremor und der olle Blues heim.
    Ich wohnte wieder in Bailey’s Hotel. Direkt bei der Touristen-Information gelegen, ist es nicht leicht zu finden und überlebt gegen jede Wahrscheinlichkeit. Es gehört einer Witwe in den Achtzigern, die mich aus irgendeinem Grunde mag und mir trotz meiner schlimmsten Exzesse immer ein Zimmer frei hält. Sie hat die fixe Idee, ich hätte ihr mal geholfen; falls ich ihr tatsächlich geholfen haben sollte, habe ich vergessen, wie und auch wann. Ich bin dankbar, dass sie mich nicht beurteilt. Vielleicht weil wir beide zu dieser bedrohten Art gehören, dem »Alten Galway«, und unsere Zeit eindeutig abgelaufen ist. Wenn wir weg sind, wird das Hotel in Luxus-Apartments umgewandelt, und irgendein Yuppie wird die Knochen von uns zwei Alten, die wir Illusionen nachhingen, mit Füßen treten.
    Ihr Personal besteht hauptsächlich aus Janet, einer Frau, so alt wie sie selbst, die Pisspottschwenkerin, Zimmermädchen, Gewissen, Putzfrau und so fromm ist wie nur je eine Frau, die ich gekannt habe. Weil ich so viele Bücher lese, glaubt Janet, ich wäre wer. Dies ist eine alte irische Ansicht, mit der man leider immer weniger Menschen hinters Licht führen kann. Ich hatte einen Kalender an der Wand. Vorne drauf war das Allerheiligste Herz Jesu Christi, und die Tage waren mit Sinnsprüchen
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