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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Himmel.«
    Der Kommandant der Schweizer Erdtruppen wischte sich den Schweiß von der Stirn, der Polizeichef starrte mit offenem Mund in den Himmel.
    »Er bricht auseinander wie ein Kinderspielzeug, das von einer Brücke fällt«, sagte der Flughafenleiter leise. »Sturz aus über 1.500 Meter – mein Gott, und wir können nichts tun! Das ist am furchtbarsten –«
    Vandura zog noch eine Schleife. Er sah unter sich das Flugfeld, die Piste, die Fahrzeuge, das Militär, den Schaumteppich, die Feuerwehr – dann drückte er den Steuerknüppel nach vorn.
    Die Maschine schien den Bruchteil einer Sekunde zu zögern – sie flog wie in einem luftleeren Raum –, dann senkte sie sich plötzlich steil nach unten und raste mit einem fürchterlichen Heulen der Erde entgegen wie ein Stein. Vandura klammerte sich fest, Ruodi Stifter rutschte an seinen Stuhl, der Himmel verschwand, dafür kam ein Panorama immer näher – die Erde, schräg gestellt, wachsend wie in einer Gummilinse, die Entfernungen heranholt –, greifbarer wurde sie, natürlicher, größer, tödlicher …
    Tino hatte sich über Hasna geworfen und ihn mit zwei Faustschlägen betäubt. Im Passagierraum, so hoffte Vandura, hatte Major Lynns mit seinen Männern die Rebellen ebenfalls in dieser Schrecksekunde überwältigt. Er hörte lautes Schreien, Poltern, Gekreische.
    Der Höhenmesser. Der Zeiger fiel und fiel – bei 1.200 Metern zog Vandura das Ruder wieder an sich. Er riß den Steuerknüppel nach hinten und trat gleichzeitig das Seitensteuerungspedal nach rechts. Der Horizontkreisel benahm sich wie verrückt, aber dann sah Vandura, daß er die schwere Maschine abgefangen hatte, daß sie steil nach oben schoß und in einer weiten Kurve den Flugplatz verließ.
    Er atmete tief auf, brachte den Knüppel auf Geradeausflug, der Horizontalkreisel stand waagerecht, der Querneigungszeiger pendelte auf normal, die Maschine flog ruhig über Zürich.
    Hinter Vandura krachte die Tür gegen die Wand. Major Lynns erschien, er blutete an der Stirn. Aber er lachte.
    »Alles okay, Doktor. Sie können landen – wenn Sie's können!«
    »Verwundet, Major?«
    »Auch ein Flugzeug hat sinnlose Ecken …« Lynns winkte ab. »Die Rebellenbrüder liegen wie Pakete im Gang. Ich wußte gar nicht, wie gut man mit Hosenträgern fesseln kann. Dafür stehen jetzt einige Männer herum und halten ihre Hosen fest. Wie ist's – klappt die Landung?«
    »Wenn das Flugzeug den Sturz ausgehalten hat, wird sie auch Vanduras Heruntergehen durchstehen …« Vandura lachte ebenfalls, befreit, glücklich, aber ein Ton von Verzweiflung war doch noch in seinem Lachen. »Sie haben Schaumteppiche gelegt – ich halte mitten hinein, Lynns. Noch könnt ihr alle beten …«
    Vandura kehrte nach Kloten zurück. Im Kontrollturm lehnten die Männer an den Mauern, naß geschwitzt und bleich. Der Flugleiter hockte zitternd hinter seinem Mikrophon.
    »Flug 34 melden. Melden. Vandura – alles wohlauf?«
    »Alles! Ihre Maschinen sind stabiler, als Sie glauben. Haben Sie mehr Vertrauen zu Ihrer Wertarbeit.«
    »Vandura, machen Sie jetzt keine Witze. Was soll geschehen?«
    »Ich komme 'runter. Geben Sie mir Ihr Blindflugstrählchen, und ich rolle Ihnen vor die Tür. Ihr Flugkapitän Stifter ist eine Kanone! Er hat mir das Fliegen erklärt wie einem Hilfsschüler, und ich begriff es. Ich habe Ihren Leitstrahl. Holen Sie mich 'runter …«
    Langsam, als sitze ein erfahrener Pilot am Steuer, schwebte die Maschine ein, die Räder fuhren aus, die Motoren wurden gedrosselt – dann glitt sie nahe über den Boden, setzte auf, raste durch den aufspritzenden Schaumteppich, links und rechts jagten die Feuerwehren neben ihr her und die Jeeps mit Polizei … Vandura arbeitete mit der Ruhe einer gut geölten Maschine und tat alles, was Ruodi Stifter ihm zurief. Er drückte Knöpfe, bewegte Schalter, schaltete aus und war selbst verwundert, als die schwere Maschine stehenblieb und die Motoren mit einem Jammern abstarben.
    »Wir sind auf der Erde«, sagte Vandura und umklammerte seinen Kopf. Jetzt plötzlich begriff er das nicht, war es ihm wie ein Wunder. »Wir sind wirklich auf der Erde und leben …«
    Ruodi Stifter gab keine Antwort mehr – er war ohnmächtig geworden.
    Vandura legte den Kopf auf das Armaturenbrett und schloß die Augen. Eine unendliche Müdigkeit überfiel ihn, ein Drang zu vergessen.
    Auf der Erde, dachte er.
    Wenn ich den Fuß aufsetze, ist der Boden hart und fest.
    O Himmel, welch ein unmeßbarer Wert ist
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