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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umriß, weil er die Beine der Ohnmächtigen noch immer in den Händen hielt. Nur mühsam konnte Kranzler seinen Sturz verhindern.
    »Idiot!« schrie Kranzler. »Was ist?«
    »Dottore! Da –« Ettore zeigte auf die andere Straßenseite. Am Pfeiler des hohen Eingangstores zu einer langgestreckten Villa hing ein Schild. Das typische emaillierte Schild eines Arztes. Kranzler machte einen Schwenk und lief auf die andere Straßenseite. Keuchend schob er die Ohnmächtige weiter nach hinten und drückte auf den bronzenen Klingelknopf.
    »Dr. R. Vandura«, las er laut. »Vandura – kommt der aus deiner Ecke, Makkaroni?«
    »Nix Italien.« Ettore Luca schüttelte den Kopf. »Glaub' nicht …«
    Der Türsummer schnarrte. Kranzler trat das Tor auf und lief auf den Hauseingang zu. Ein Mädchen in einem weißen Kittel erschien in der Tür und gab den Weg sofort frei, als sie die Situation überblickte.
    »Ein Unfall?« rief sie, als Kranzler an ihr vorbei in die große Diele rannte. »Hier herein … bitte …«
    Er kam in ein weiß und blitzsauber leuchtendes Zimmer und legte die Frau auf eine Chaise nieder, die mit rotem Wachstuch bezogen war. Ettore blieb in der Diele stehen, drehte seine dreckige Arbeitsmütze zwischen den Händen und betrachtete mit leuchtenden Blicken die Beine des Mädchens im weißen Mantel.
    Kranzler wischte sich den Schweiß von der Stirn und suchte in seinen Taschen nach einer Zigarette. Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Rauchen verboten.«
    »Auch das noch!« Kranzler steckte die Hände in seinen stinkenden blauen Arbeitsanzug. »Ob's 'n Unfall ist, weiß ich nicht. Sie fiel plötzlich um, mitten auf der Straße. Erst dachte ich, sie … na … ist ja möglich …« Er grinste verlegen und schabte mit den Schuhen über den blitzenden Kunststoffboden. »Habe schon manchen am Tage betrunken gesehen. Aber dann … also, sie ist ohnmächtig … Wo ist'n der Doktor?«
    »Er wird gleich kommen.« Das Mädchen drückte auf einen Signalknopf neben dem leeren Tisch. »Er arbeitet im Labor.« Sie rümpfte die Nase und trat einen Schritt zurück. »Woher riechen Sie bloß so …«
    »Mein Beruf, Fräulein.« Kranzler drückte das Kinn an. Er war solche Fragen gewöhnt. Ein Glück, daß er seit zehn Jahren verheiratet war. Damals war er noch Maurer. Mit solch einem Gestank aus den Poren hätte ihn Lisa nie geheiratet. »Kanalarbeiter. Stadtwerke. Muß auch sein. Sonst läuft euch die Brühe durch die Keller.«
    »Warten Sie nebenan.« Das Mädchen zeigte auf eine Tür, an der ein Schild ›Wartezimmer‹ klebte. »Wenn der Herr Doktor Sie braucht, wird er Sie sicher rufen lassen. Sie haben doch Zeit?« war ihre Frage an Kranzler.
    »Aber ja!« Kranzler grinste breit. »Wir sind doch städtische Arbeiter …«
    Sie setzten sich in das andere Zimmer, ließen aber die Tür auf, um zu sehen, wenn der Doktor kam. Ettore begann leise zu pfeifen.
    »Ruhe!« knurrte Kranzler.
    »Schöne Signorina …«
    »Wer?«
    »Mädchen in Kittel.«
    »Schluck's Wasser 'runter und sei still.« Kranzler beugte sich vor. Schritte erklangen von weitem. Eine Tür klappte. Ein weißer Schatten, schwarze Haare mit weißen Fäden durchzogen, schlank, mittelgroß …
    »Ein ganz Feiner«, sagte Kranzler. »Wenn der mich riecht, fällt er um!«
    Er klemmte die Hände zwischen die Knie und wartete weiter.
    So'n Arzt hat's gut, dachte er und stierte auf die geschlossene Tür des Aufnahmezimmers. Vor dem ziehen sich alle Frauen ohne Mucksen aus, und wenn er se anpackt, ist's sogar medizinisch. Woran denkt so'n Arzt eigentlich, wenn 'ne hübsche Frau vor ihm liegt? Denkt er überhaupt? Und wenn er se dann untersucht und anpackt, an der Brust und … verflucht, das ist gar nicht so einfach, wenn man sich das überlegt. Ich muß die Lisa mal fragen, was se denkt, wenn sie sich vor'm Doktor auszieht. Ich hab se nie danach gefragt …
    Er fuhr sich über die Haare, streckte die Beine aus und hatte einen unbändigen Appetit auf eine Zigarette. Ettore Luca pfiff wieder leise vor sich hin. O mia bella Napoli …
    »Schnauze«, knurrte Kranzler. »Hoffentlich kommen wir hier bald 'raus …«
    Dr. Ralf Vandura beugte sich über die Ohnmächtige.
    Die Sprechstundenhilfe hatte bereits das Kleid geöffnet, den Kopf richtig gelagert und mit Kölnisch Wasser die Schläfen der Frau eingerieben. Der angenehm herbe Geruch füllte den kleinen Raum. Jetzt stand sie an dem geöffneten Medikamentenschrank und legte eine Spritze zurecht.
    »Eine Ohnmacht«, sagte
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